Brodegar der Baum

Stadtmeister von Khefu

Die Steineiche steht hoch und gerade, überragt die anderen Bäume ringsum - Buchen wie Weiden, Tannen wie Fichten, sie ist stark und standhaft, keinem Sturm beugt sich ihr fester, breiter Stamm; es sei denn der Götter Ratschluß will es, daß der Sturm stärker ist - doch ungebeugt zerbirst sie sodann; Unterordnung und Verbeugung sind ihr fremd, sie kennt allenfalls die Niederlage, alldieweil es auf Deren immer einen gibt, der stärker, mächtiger und ausdauernder ist, und wenn nicht auf Deren, so doch stets in Alverans Höh'n. Allsodann wurde Brodegar in seinen Wandertagen in den nordischen Wäldern von den Nivesen und Elfen "der Baum" genannt. Denn Brodagar ist weit über zwei Schritt groß, hat Kräfte wie ein Bär und scheint jeder Lage gewachsen zu sein, überlegen und stolz.
Brodegar war als Sohn eines nostrischen Landadeligen geboren worden, lernte in Lowangen und Wehrheim das Kriegerhandwerk, nachdem er mit Vater und Vaterland gebrochen hatte. Doch blieb er stets ein Einzelgänger, der mit sich genug beschäftigt war, zwar immer fröhlich aber von allem kühl distanziert. Dies wurde ihm mehr als einmal als überheblicher Stolz vorgeworfen, worüber er nur lächelte, wußte er es doch besser. Schon bald ließ er die dichtbewohnten Gegenden des Mittelreichs hinter sich und durchstreifte den Norden, als einzelgängerischer Waldläufer. Im Svellttal kannte man ihn recht bald als "den mit der Ogerschelle", die er mit seinen Bärenkräften meisterlich zu führen versteht. Nach einigen Jahren aber setzte sich der Name durch, den ihm die Naturvölker des Nordens gaben: Der Baum. Brodegar der Baum - so erzählt man sich - soll gar einst einen Ringkampf mit einem Bären gewonnen haben.


Aus unerfindlichgen Gründen aber siedelte Brodegar der Baum vor einigen Götterläufen in den Süden um; er, der offensichtlich ein Mann des Nordens ist, zog in den Süden! Es heißt, Nisut Peri kenne den Grund, sicher aber ist, daß es außer ihr und Brodegar selbst niemand sonst weiß - vielleicht Akîb Tiftal von Frencaal, doch der ist tot.
Mit der ihm eigenen, kühl rationalen Denkweise, die im Süden so selten zu finden ist wie Schnee, war er genau der richtige, das Schlammloch Khefu zu verwalten, endlich Struktur in die Stadt zu bringen. So gelang es Brodegar, die Stadt tatsächlich in ihren technischen Mängeln zu verbessern, angefangen von der Sicherheit der Brücken bis hin zu der der Straßen, Bauvorschriften für die Häuser, Vorschriften zur Hygiene (die allerdings kaum eingehalten werden, trotz harter Strafen), die Konsolidierung der städtischen Finanzen etc. Lange Zeit sogar war Brodegar in Khefu und gar in Frencaal bekannter als der damalige Akîb Tiftal. Der Leistung Brodegars wurde auf Wunsch des seligen Akîb Rechnung getragen, indem die Cronstadt aus der Ta'akîb Frencaal gelöst und der Nisut selbst unterstellt wurde.
Schwer traf die Stadt die vom Namenlosen gesandte Pest, die Adelige wie Bürger dahinraffte und die halbe Bevölkerung zum Herrn BORon schickte. In dieser Zeit war Brodegar angespannt und ständig dabei, Abhilfe zu schaffen, wo immer es ihm möglich war. Sein frisches, stets freundliches Gesicht und seine tiefe, ruhige Stimme spendeten Trost, seine hohe, gerade Gestalt gab Mut.
Heute begnügt sich der inzwischen alte Mann damit, "seine" Stadt vor dem stetigen Wandel um sie herum zu schützen, und die Probleme im Inneren zu deeskalieren.