Cyperijan ya Bethasda

Akîb Ni Rekáchet

Ihro Gnaden Cyperijan ist ein wahrhaft denkwürdiger Mensch. Sowoh1 was sein Auftreten, als auch seinen Charakter anbelangt, kann er durchaus als außrgewöhnlich gelten.
Doch beginnen wir am Anfang - am Tage seiner Geburt im Hesinde des Jahres 975 nach dem Fall des güldenen Bosparan in der Stadt Kuslik, wo seine Sippe just am Hofe der Fürstin weilte. Seine Mutter war die ehrenwerte Frouwe Gynelde von der Argenburg, die älteste Tochter des werten Orgjen von der Argenburg, eines reisigen Rittersmannes aus dem Neuen Reiche. Vater Cyperijans war der edle Comto Cerboris ya Bethasda, Herr der Burg Beyjanour und ein treuer Diener des vinsalter Reiches, in dessen Armee er bis zu seinem Tode im Jahre 982, als er von einem Novadipfeil durchbohrt zu Boden sank, im Range eines Hauptmannes der Garde diente. Nach diesem frühen Tod seines verehrten Vaters, welchen der junge Cyperijan allerdings kaum Gelegenheit hatte kennenzulernen, weilte er doch allzuoft an weitab gelegenen Grenzen, der Heimat zur Wehr und zum Schutze, hatte die behütete Kindheit ein jähes Ende genommen, verstand es doch der Bruder des Verstorbenen, Sindjar ya Bethasda, in seinen Kreisen auch "der Schinder" geheißen, nur zu gut, sich der Burg und auch des umliegenden Landes zu bemächtigen. So blieb der jungen Witwe, welche doch auch drei Kinder zu ernähren hatte, nichts denn eine karge Rente, von der sie selbst kaum zu leben vermochte. Darob sandte sie alsbald ihr ältestes Kind, die junge Meran, zu einem Ritter, der sie, angedenk alter Freundschaft, in Knappendienste nahm. Gyperijan selbst übergab sie dem Hesindetempel zu Kuslik, auf daß er in den Diensten der weisen Göttin ein Auskommen finden mochte. Sie selbst zog, nachdem sie auch ihr letztes Kind, Geimond, in gute Obhut gebracht hatte, aus, an dem verräterischen Schwager Rache zu nehmen. Allein, seiner Grausamkeit und Macht vermochte sie nichts entgegenzusetzen und starb so durch die Hand Sindjars einen furchtbaren Tod...


So wuchs Cyperijan also in der Gemeinschaft der Hesindediener auf, in deren Gesellschaft er sich alsbald gut eingelebt hafte, zumal die Geweihten es verstanden, in ihm einen ungeheuren Wissensdurst zu wecken, der in Zukunft die hauptsächliche Triebfeder in seinem Leben darstellen sollte. Ohne Arg' war so seine Kindheit, wenngleich er nur allzuoft seine Mutter und seine Familie mißte, über deren Schicksal er nicht im Bilde war. Doch auch diesen Schmerz heilte die Zeit.
So verbrachte er Jahr um Jahr in den Diensten der Göttin Hesinde und und widmete sich gänzlich seinen Studien. Alsbald hatte er sich einen Namen machen können durch seine Arbeiten über die Historie des Alten Reiches und dessen sagenhafte Ursprünge, wenngleich seine sehr nüchterne Sichtweise, die doch allzusehr jeden Nationalstolz außer acht ließ, ihn mehr als einmal in die Gegnerschaft zu bestimmten Kreisen des Alten, heute Bosparanischen Reiches brachte. Jedoch, die Macht seiner Kirche vermochte ihn gegen Übergriffe derartiger Fanatiker weitestgehend zu schützen.
Es war der 23. Rondra des Jahres 1008, dem 25. Todestage seiner Mutter, wovon der nun 33jährige jedoch nichts ahnte, als in der Bethalle des Kusliker Hesindeternpels eine Frau auf ihn zutrat, für ihn anhand ihres sicheren Auftretens und des Wappens an ihrem Umhange leicht als eine Dienerin Rondras erkenntlich. Doch was trieb die unbekannte Rittfrau, mit ihm das Gespräch zu suchen, dem Schwert und Schild doch zu aller Zeit einerlei gewesen waren? Nun, er brachte es nur zu bald in Erfahrung.


Seine Schwester, Merar ya Bethasda, war es, die an jenem bedeutungsschweren Tage im Tempel zu Kuslik auf ihn zutrat, wie er alsbald von ihr selbst erzählt bekam. Nachdem sie jahrelang die Lande Aventuriens durchstreift hatte, stets auf der Suche nach ihrer Familie, war sie nun endlich fündig geworden. Wie groß war darob die Freude der beiden! Lange Zeit saßen sie zusammen, sich von ihren Erlebnissen berichtend - und so erfuhr Cyperijan schließlich auch nach so vielen Jahren vom Tode seiner Mutter und von den Schandtaten Sindjars, seines Onkels, der nunmehr fast fünfzig Winter zählte.
Wie groß war seine Freude, wie groß sein Glück. Nie hatte er gewußt, wie sehr ihm seine Familie, seine Wurzeln gefehlt hatten. Erst mit dem Erscheinen Merars war ihm dies bewußt geworden - nimmermehr wollte er sie missen. Umso größer war sein Schmerz, als sie ihm eröffnete, daß sie in Bälde weiterziehen werde. Nachdem sie endlich wußte, daß es auch nach ihrem eventuellen Tode einen Sproß ihrer Familie geben werde, sähe sie sich nun bereit, Sindjar gegenüberzutreten, um ihn mit eigener Hand dem Tode zu überantworten, wie sie es schon vor Jahren ihrer Göttin geschworen habe. Alle Redekünste Cyperijans mochten da nichts nutzen, alle verzweifelten Gebete zu seiner Herrin waren vergebens, seine geliebte Schwester von diesem ihrem Vorhaben abzubringen. Sie war wild entschlossen, Rache zu nehmen für den Tod ihrer Mutter und das ihrer Familie angetane Leid. Angesichts der unausweichlichen Tatsache, daß er sonst einmal mehr seine Familie viel zu schnell verlieren könnte, traf Cyperijan darob einen folgenschweren Entschluß: Er würden Merar auf ihrer Oueste begleiten!
Gemeinsam machten sie sich einen Mond später auf, gen Beyjanour, wo der verräterische Sindjar nach wie vor seinen Hof unterhielt. An der selben Stätte an der vor 25 Jahren ihre Mutter ein so schmachvolles Ende gefunden hatte, an der selben Stätte, an der ehemals ihr Zuhause gewesen war. Fürwahr! Es war ein seltsames Paar, das dazumalen über die Straßen des Alten Reiches zog. Eine schwergerüstete Ritterin mit Schwert und Schild auf feurigem Rosse und an ihrer Seite ein Bruder der Hesinde mit nichts als seinem Gewande und einem kümmerlichen Kampfstabe, mit dessen Hilfe er sich wohl kaum seines eigenen Leibes würde erwehren können...
Nach langer Wanderschaft erreichten sie denn die Feste Beyjanour, in einem Ausläufer der Eternen gelegen. Die Stunde der Entscheidung nahte. In voller Rinstung, mit ihrem Schwerte Phyrricha, was heißt "Klingentanz", gerüstet und einer Lanze im Anschlag rief Merar vor der Festung den Comto Sindjar heraus, er möge sich nunmehr ihrer Waffe verantworten für vergangene Untaten. Und wenngleich der Comto ein Mann von großer Grausamkeit war, so war er doch auch ein Mann der die Gesetze der Rondra hoch schätzte. So trat er denn herfür, gegürtet mit dem Beidhänder Asdorn, jener Waffe, mit der auch sintemalen Herr Cerboris in die Schlacht zog. Ob dieser zusätzlichen Provokation stürzte Frouwen Merar sich mit umso größeren Eifer ins Gefechte, dieses schändliche Individuum ein für alle mal auszulöschen. Doch allein, sie schien ihren Kontrahenten unterschätzt zu haben. mit Leichtigkeit parierte er ihre ersten vehementen Schläge, ja es gelang ihm sogar, ihr einige leichte Blessuren zuzufügen, worob Cyperijan gar fürchterlich erschrak, wurde er doch erst jetzt recht der Gefahr bewußt, in die er und seine Schwester sich begeben hatten. Doch es schien so, als hatte Merar sich wieder gefangen. All' ihre Routine vermochte sie nun auszuspielen, wodurch sie sich wohl im Vorteil sah, mochte es doch wohl einige Jahre her sein, daß Herre Sindjar eine Waffe in großem Gefechte führte. Schritt um Schritt mußte er der Ritterin weichen, die ihres Sieges sicher schien.


Und fürwahr! Ein heftiger Schlag genügte ihr, um den Comto zu Boden zu zwingen. Wehrlos lag er so vor ihr. Mit großer Gebärde erhob sie ihr Schwert zum finaler Schlag... Doch! All' ihr guten Götter! Da sank sie zu Boden, einen schwarzgefiederten Pfeil in ihrem Rücken. Cyperijan brauchte keine weitere Bestätigung, daß Boron sie sich auf immer geholt hatte. Mit ihr war auch ein Teil seiner selbst gestorben.
Da erscholl ein Schrei 'gen Alveran, wie ihn die Welt nimmer gehört! All seinen Schmerz und sein Leid schrie Cyperijan sich von seiner Seele, als er mit erhobener Waffe auf den Ehrlosen losstürzte. Doch dieser vermochte sich nur allzuleicht des im Kampfe unerfahrenen Hesindegeweihien zu erwehren. Mit einem grausigen Lachen auf dem Munde, das dem unbedarften Cyperijan wie die entstellte Fratze eines Daimons anmutete, parierte er Schlag um Schlag, der auf ihn niederprasselte, spielte mit dem Zorn seines Kontrahenten, bis er schließlich des Spiels müde wurde und ihn mit einem leichthin getanen Schlag niederstreckte.
Doch größer als alles Leid Waren die nun folgenden EvoIebnisse. Denn wie um wie auch diesem Sproß seines Bruders alles zu nehmen was er noch besaß, was da einzig waren seine Würde und sein Stolz, sein Glauben und seine Demut vor der Göttin, ließ er ihn die untersten Verließe seiner Feste schleppen, dorthin wo er seine Folterknechte ihr grausig Tagwerk verrichten ließ. wir wollen an dieser Stelle gnädig verschweigen, was Cyperijan in jenen Stunden und Tagen widerfuhr. Allein, es sei gesagt, man brach ihn an Körper und Ceist. Als man ihn schließlich wie tot auf einen Misthofen warf, genauso menschlich wie er selbst es noch war, da war er nicht mehr er selbst. Nicht nur seine Haare waren grau geworden.


Nur dem Schicksal war es wohl zu verdanken, wenngleich er es ihn jener Stunde verfluchen mochte, erschien ihm der Tod doch weit erstrebenswerter denn das Leben, daß er all' dies Leid überlebte. Die Gnade einer alten Magd, seiner alten Amme, die seit dem Tod Herre Cerboris' die niedrigsten Dienste am Hofe des Comto zu verrichten hatte, war es, die ihn am Leben erhielt. Sie allein wagte es, den todwunden Mann in ihrer bescheiden Heimstatt aufzunehmen, trotz der Strafen die ihr ob dieser Tat gedräut haben mochten. So hätte er auch dieses schreckliche Leid körperlich verwunden - nicht jedoch im Geiste. Bar jeder Hoffnung war, bis ihm wieder die Worte Merars bewußt wurden - daß er vielleicht der letzte Stammhalter der Familie seines Vaters war. Wer war er, daß er sich derart fallen ließ? Matte er nicht die Pflicht, im Andenken an seine Eltern, an Merar, an alle die seines Blutes waren, den Schild ihrer Ehre weiterzutragen? Alleine derartige Gedanken waren es, die es vermochten, ihm wieder ein wenig Lebenswillen einzuhauchen. So machte er sich denn wieder auf den Weg, auf der Suche nach? Er wußte es selbst nicht. So streifte er lange Zeit ziel- und haltlos durch das Land und machte Erfahrungen, von denen er bis dato allenfals gelesen hatte.


So sah er die hinter den Goldfelsen aufsteigende Praiosscheibe, erblickte das hehre Vinsalt, bereiste die Lande Almadas und vermochte es sogar, ihre Spektabilität, den Vorsteher der Puniner Academie zu überzeugen, ihm einige Einblicke in die berühmte Bibliothek und in die Künste der Magicae zu geben. Bald jedoch trieb es ihn wieder in die Heimat - in einer langen Nacht, die er wie so oft über dem Feuer grübelnd verbracht hatte, vermochte er doch seit jenen Nächten in den Verließen Sindjars kaum eine Nacht ruhig zu schlafen, ward ihm endlich das Ziel seines ganzen Strebens bewußt. Er würde seinen Bruder finden, koste es, was es wolle.
Es war wahrlich kein leichtes, eine Spur Geimonds, des jüngsten Sprößlings aus der Liebe Cerboris' und Gyneldes, zu finden. Es mochte Cyperijan so manches Jahr und so manchen Dukaten gekostet haben, bis er von einem alten Schauermann in Teremon hörte, vor einigen Jahren habe einst ein junger Mann jenen Namens ein Schiff 'gen Süden genommen, wenngleich er sich auch nicht mehr recht an das eigentliche Ziel erinnern mochte. Der Weg Cyperijans war vorgezeichnet.


Von Hafen zu Hafen zog er, selbst das verabscheungswürdige Mengbilla suchte er auf der Suche nach seinem Bruder, dem letzten seines Stammes, auf. Und schließlich schien es so, als sollte er fündig werden. In einer schmierigen Hafenspelunke, wie sie in jeder Hafenstadt Südavenuriens hätte stehen können, verwies ein ergrauter Seemann ihn an Badajyr "die Spielerin", - sie mochte wohl wissen, wo Geimond zu finden sei. Und in der Tat! Als Cyperijan ihr mit einigen Dukaten bei der Durchfortsung ihres Gedächtnisses nachhalf, vermochte sie sich an jemanden dieses Namens zu entsinnen, der, es mochte kaum drei Monde her sein, seine gesamte Heuer mit ihr verpraßt habe. Wohin er nun gegangen sei? Nun, soweit sie sich erinnern könne, hatte er Heuer auf einem Schigff namens "Horasschwalbe" angenommen. So war es nun ein leichtes, die Route und den Zielort dieses altreich'schen, zu diesem Zeitpunkt bereits bosparanischen, Schiffes herrauszufinden.
SoO machte Cyperijan sich einmal mehr auf, in der Hoffnung, nun endlich auf der Insel Altimont seinem Bruder gegenübertreten zu können. Mochten die Götter wissen, was die Altreicher in solche entlegene Winkel wie in das Städtchen Altaia trieb - er würde es schon bald in Erfahrung bringen. So nahm er also Ouartier auf einem Schiff, welches 'gen Altaia segelte und ihn dann wohl bei Charypso von Bord lassen würde. Wochen später hatte er sein Ziel erreicht. Im Hafen von Charypso lag die "Horasschwalbe" vor Anker, wo er in Erfahrung bringen konnte, daß Geimond mit dem Großteil der Mannschaft nach Alttaia aufgebrochen sei. Große Aufregung bemächtigte sich darob seiner, schien er doch kurz vor dem Ziel all' seines Strebens der letzten Jahre.
Doch oh weh'! Welch ein Anblick erwartete ihn, als er schließlich die alte Siedlung erreichte, die einmal Altaia gewesen sein mochte. Kein Stein war dort mehr auf dem anderen, die Menschen von Unbekannten in Scharen niedergemetzelt. Ein zweites Mal ward ihm so das Herz gebrochen.
Doch auch ein zweites Mal erhob er sich wieder. Nach Tagen der Apathie, in denen er nicht zu essen noch zu schlafen vermochte ob dieses abermaligen Schicksalschlages, raffte er sich auf und begrub einen der zahllosen Leichname - es hätten die sterblichen Überreste seines Brüders sein können. Und mit diesem Leichnam begrub er auch einmal mehr einen Teil seiner selbst.


Doch wohin sollte er nun seines Schritte lenken? Mit dem Tod seines Bruders hatte das Schicksal ihm auch sein letztes Lebensziel genommen. Nicht Herr seiner selbst streifte er so Wochen, Monde durch die Insel - nur die Götter mögen wissen, wie er diese Zeit lebend überstand. Schließlich jedoch verschlug es ihn in ein kleines Fischerdorf, irgendwo an der Kiste, wo man ihn freundlich aufnahm. Die Zivilisation hatte ihn wieder.
Es schien geradezu, als erweckte diese Gesellschaft nun auch wieder seinen Lebensgeist: Bei nächster Gelegenheit nahm er ein Schiff, nicht ahnend, wohin es ihn führen würde, doch in der Gewissheit, daß es ihn einer neuen Zukunft näherbrachte. Und tatsächlich, so kam er, weniger durch eigenen Willen als vielmehr durch der gnädigen Götter Fügung in das Reich der Kemi... Es war fürwahr ein seltsamer Menschenschlag dem er dort begegnete - fröhlich und ausgelassen zuweilen, doch ebenso ernst und würdig. Täglich hatte dort ein jeder um sein Leben zu kämpfen, denn sowohl die Natur wie die Gesellschaft dorten waren kaum mehr denn ein wildes Dschungeldickicht. Doch eben dieses Leben war es, daß ihn all' sein Leid einstweilen vergessen ließ - es schien ihm, als sei er nach langer Suche durch ihm eigentlich fremde Welten, denn so erschien ihm nunmehr sein Leben in der festgefügten Gesellschaft des Vinsalter Reiches, nun in seiner eigentlichen Heimat angelangt. Mit aller Kraft stürzte er sich in dieses neue Leben, vorerst noch ein wenig ziel- und orientierungslos. Doch bald galt all' sein Streben nur noch dem einem Ziel: Er wollte nicht mehr nur für sich alleine leben. Und wo es ihm an einer Familie fehlte, da erkor er sich das Volk der Kemi als solche. Ein Akîb mochte er wohl werden, den Seinigen so mit seinem Wissen und seiner auf langen Fahrten und durch jahrelange Studien erworbenen Erfahrung beizustehen.

 

***
 

Cyperijan hat in seinem Leben so manche leidvolle Erfahrung machen müssen, was sich natürlich auch in seinem Charakter niederschlägt. Zumeißt ist er sehr zurückhaltend gegenüber anderen Menschen, ja fast furchtsam, was daran liegen mag, daß allen seinen Beziehungen auch die Furcht zugrunde liegen mag, daß er auch diesen Freund wieder verlieren könnte. Diese leidvolle Erfahrung nochmals machen zu müssen, davor scheut er sich und ist deshalb neuen Beziehungen gegenüber äußerst unaufgschlossen (was man ihm, in Unkenntnis seiner Verfassung und seiner Vergangenheit vielleicht auch negativ auslegen wird). Als er jedoch zum Akîb berufen wurde, ging er aber derart in dieser neuen Aufgabe auf, daß dieses genannte Charaktermerkmal kaum auffiel, denn wie bereits angedeutet, betrachtet er nunmehr das Volk der Kemi als "seine Familie", für die er sich selbst aufzugeben völlig bereit ist. Entsprechend streb- und arbeitssam stellt sich sein Charakter dar.
Ansonsten ist er von Natur aus ein sehr stiller, in sich gekehrter Mensch, der, wie es ja die Art der Hesindegeweihten ist, sehr großen Wert auf den menschlichen Intellekt legt, wobei er allerdings bisweilen etwas drastische Ansichten vertritt, betont er doch, daß der Geist das einzig Bedeutsame im Menschenleben sei und das Fleisch dominieren müsse - genauso wie Alveran, daß nach seiner Auslegung letztendlich der "größte Geist ist, der die so fleischlichen, triebhaften Menschen beherrscht". Eine Weltsicht, über die man streiten kann, an der Cyperijan aber in jedem Fall festhält. Allein schon aufgrund seiner Erfahrungen mit der Folter Sincijars ist er zu dem Schluß gekommen, daß man seinen Geist von körperlichen Qualen oder Lüsten isolieren muß. Gewalt wie Ekstase steht er also äußerst ablehnend gegenünber (es sei an dieser Stelle betont, daß er noch nie einen Menschen getötet hat), denn er stellt über all' dies "fleischliche Sinnen", wie er sich auszudrücken pflegt, die menschliche Ratio.
Damit wären seine wesentlichen Charkterzüge auch bereits dargelegt. Seine Reaktionen und sein Verhalten in fast jeder Situation lassen sich anhand dieser Darlegungen erklären.

 

***
 

Cyperijan ya Bethasda regierte seine Provinz zwei Jahre lang mit großer Weisheit und vorbildlichem Geschick. Es gelang ihm, selbst bei den orthodoxen Corvikanern Respekt zu erwerben. Der Akîb überlebte im Efferd 24 S.G. nur knapp ein heftiges Dschungelfieber, das er sich auf einem Kirchenkonvent in Yleha zugezpgen hatte. An seinem Krankenbett war neben dem Corvikaner-Anführer Boronfired Sá'kurat sogar Nisut Peri III. zu Gast. Mehr als ein Jahr dauerte die Genesung. Der Akîb sah dies als Zeichen und zog sich ins ylehische Kloster Al'Areal zurück, wo er heute noch als einfacher Ordensbruder wirkt.