Ela XV. Setepen
Nisut Ni Kemi
Die junge Königin des Kemi-Reiches, die die fünfzehnte ihres achtungerheischenden Krönungsnamen ist, wurde am 11. FFI. 5 S.G. als Sproß der glücklichen Liebesbeziehung zwischen Ihrer Majestät Peri III. und dem Obristen To'muthep Morek geboren. Schon als Säugling, noch vor der heimtückischen Ermordung ihres Vaters, trachteten ihr gedungene Meuchler des brabakischen Königs Mizirion III. nach dem Leben; später - kurz nach dem Beginn des Unabhängigkeitskriegs - geriet sie mit ihrer Schwester als Geisel in die Hand des verderbten al'anfanischen Patriarchen Tar Honak, der solcherart die bedingungslose Kapitulation der standhaften "Schwarzen Armee" erzwang. Bis dahin wuchs die junge Prinzessin sorgenfrei unter der beständigen Obhut ihres Erziehers Dio Cardassion de Cavazo heran, der sehr viel Wert auf eine Ausbildung auf manigfachem Gebiet legte.
Trotz der zahlreichen Schrecken in ihrer kriegsbesetzten Heimat, die sie nach der Freilassung aus al'anfanischer Haft im mittelreichischen Exil aus den zahllosen Berichten erfahren mußte, reifte die kem'sche Thronfolgerin nach dem Triumph über die Pestbeule des Südens zu einer selbstbewußten jungen Dame heran, deren jugendliches Antlitz bereits an die makellose Schönheit der Mutter erinnert (vor allem ihr über alle Maßen entzückendes Näschen sei hier erwähnt ...). Um die für ihr verantwortungsvolles Erbe unerläßliche charakterliche und geistige Reife zu erlangen, studierte die Princessin einige Jahre an der Herzogsschule zu Methumis, und hat alldorten das Quadrivium mit gutem Erfolg erworben. Dieser Studienaufenthalt, der wiederum von Seiner Excellenz de Cavazo - ein bekannter Freund des Horasreiches - vermittelt wurde, sollte zugleich die nach der beinahe zu einem Krieg eskalierten Waldinselkrise neue Verbundenheit zwischen dem Reich ihrer Mutter und dem der Horas-Kaiserin unter evidenten Beweis stellen. An jenem Institute schloß sie schon jetzt manche Freundschaft mit Söhnen und Töchtern aus allerbestem Hause, die ihr später womöglich einmal sehr von Nutzen sein werden.
Als sie zurückgekehrt war, wurde schnell klar, daß die junge Princeß immer weniger auf den Beistand ihres einstigen Mentors de Cavazo bauen mochte, zeigte sie doch ein für den Cancellarius überaus bedenkliches Maß an Eigenwillen und Sturheit, was schließlich in ihrer Weigerung gipfelte, die vom Kanzler aus politischen Gründen eingefädelte Verlobung mit dem brabaker Thronfolger ernsthaft zu betreiben.
Schließlich wurde bekannt, daß die junge Regentin für drei Jahre an der Seite ihrer Mutter den Nisut-Thron einnehmen soll, bevor sie im Jahre 33 S.G. zur alleinigen Herrscherin der Kemi gekrönt werden soll. Doch dieser Wunsch ihrer Mutter stieß allenthalben auf wenig Gegenliebe. So weigerte sich die junge Princeß, die Weihen der heiligen Boron-Staatskirche empfangen, obschon nach althergebrachten Traditionen nur diejenige den Kemi-Thron besteigen darf, die daselbst eine gesalbte Boroni ist. In dieser Weigerung lag der Keim für heftige innerkem'sche Auseinandersetzungen liegen, drohten doch einige einflußreiche Kurienmitglieder offen mit der Exkommunikation der Princeß und der kirchlichen Weigerung, dieser die Nisut-Würde zuzuerkennen. Im Jahre 26 S.G. spitzet sich die Situation, angeheizt vom Erzverräter da Vancha bis fast auf zum Bürgerkrieg zu, doch schließlich wurde die Intrige durchschaut und die Katastrophe konnte im letzten Augenblick abgewandt werden. Doch wer vermeinte, die Kirche ginge geschwächt aus dem Konflikt hervor, während die Rolle der Prinzessin gestärkt sei, war im Irrtum, denn Ela erkannte während dieser schweren Krise die Bedeutung der Kirche für das Staatswesen und das Volk. So entschloss sie sich schließlich nach einiger Zeit des Zweifelns und Grübelns zum Gang vor den Thron des Allehöchsten; Monde verbrachte sie in Klausur in Laguana und studierte dort die Heiligen Schriften und die alte Historie des Reiches.
Als sie sich wieder in der Öffentlichkeit zeigte, da trug sie das Gewand einer Novizin des Laguana-Ordens und verbrachte die folgenden zwei Jahre damit, sich ergeben in den Dienst des Raben und Seines Ordens zu stellen. Die Prinzessin war eine gelehrige und demütige Schülerin, kein Dienst war ihr zu gering, keine Aufgabe stellte sie in Zweifel. Als sie schließlich zur Priesterin des Raben geweiht wurde, da endlich waren die Wunden der Vergangenheit geheilt, und die Zeit gekommen, daß Ela nun endlich bewies, daß sie als Nisut würdig war. Zur Mitregentin erhoben, ließ ihr ihre Mutter in vielen Dingen freie Hand, und Ela wußte dies tatkräftig zu nutzen: Sie schloß Frieden mit dem Mittelreich und erreichte eine für beide Seiten tragbare Lösung der Hôt-Alem-Frage, sie war die treibende Kraft hinter der Gründung der "Goldenen Allianz" gegen den verhassten Feind im Norden, sie schloß einen allumfassenden, ewigen Frieden mit den Achaz im Kemi-Reich, besiegelte das Bündnis mit dem Königreich Brabak durch ihre Heirat mit Cronprinz Peleiston, reformierte den Staat im Inneren von Grund auf und sie nahm für sich entschlossen alle Privilegien der Rabentochter wahr, um ihr Reich in borongefälliger Weise neuzugestalten. Und so wird sich im Kemi-Reich wohl vieles mit der Krönung der Prinzessin Ela zur Nisut Ela XV. Setepen im Jahre 32 S.G. ändern.
Und auch wenn bei der jungen Könign bisweilen noch unbändige Leidenschaft und Begeisterung über diplomatische Zurückhaltung und Weisheit triumphieren, so verschließt sich Ela doch keinem gut gemeinten Ratschlag und zeigt sich gegenüber ihren Untertanen von großer Milde und Güte. Immer noch begegnet die Königin Schwierigkeiten mit der Leichtigkeit und Gelassenheit der Jugend, und selten trifft man sie einmal schwermütig oder traurig an. Die fröhliche junge Frau interessiert sich für viele Dinge und hat mehr als einmal eine für eine Nisut erstaunliche Unkonventionalität bewiesen. Sie schätzt die schönen Künste, insbesondere die Musik und die Poesie, jedoch zeigt sie auch ein großes Interesse an der Kriegs- und Fechtkunst, während doch ihr vorrangiges Interesse den Heiligen Schriften und deren Auslegung gilt. Ihr Herz hat sich dem Hátya Ni Chrysemis zugewandt, dessen aufrechte und ehrliche Art ihr in der Thronfolgekrise mehr als nur imponierte, doch auch Ela weiß um ihre politischen Verpflichtungen...