Kâl'Tân

Hátya Ni Chrysemis, Mehib Ni Neu-Prêm

Kâl'Tân war vor dem Überfall durch Al'Anfa freier Besitzer einer kleinen Plantage im Umland Khefus. Schon damals war er es gewöhnt, mit würdig aufgestützten Armen auf einem throngleichen Stuhl zu sitzen und seine Arbeiter zu überschauen, Befehle zu geben und allein mit einem Blitzen seiner Augen seine unangezweifelte Autorität zu unterstreichen. Als die verderbnisbringende Pestbeule ihre schwarze Hand mit stählernem Griff nach dem aufstrebenden Kemireiche streckte, wurde der stille Plantagenbesitzer in den tödlichen Strudel der Befreiungskriege gezogen, wie jeder geringste Bauer auch. Mit dem Regen im Gesicht und den vergifteten Pfeilen der Al'Anfaner um ihn her, kämpfte er wie ein Tiger oder eine verletzte Ratte, nur um zu sehen, wie seine Besitztümer Halm für Halm vom Krieg zerfressen und Tritt für Tritt von den Rabensöldnern zertrampelt wurden. Wie die Mischung aus Blut, Schweiß und sumpfigem Wasser, die er in diesen Tagen atmete, ausspuckte und sich vom Körper wischte, hängen die Erinnerungen an Feuer zwischen ölig-grünen Blattwerk und unmenschlichen Schreien in seiner Erinnerung. Mit dem Anblick von Stahl vor Augen, der Menschen zerschneidet, betenden Müttern und wimmernden Kindern, hat Kâl'Tân alles verloren, was seine Hände über Jahrzehnte erarbeitet hatten, im Tausch für Erfahrungen und Erinnerungen, die ihn noch heute aus dem Schlaf schrecken.


Kâl'Tân hat sich in diesem Krieg ausgezeichnet. Er hat eben um das, was ihm genommen wurde, gekämpft wie sie alle gekämpft haben, die sie keine Namen hatten. Er war deutlich genug aufgefallen, um nicht übersehen zu werden, aber deshalb noch lange nicht wichtig. Als sich aus der Asche der Befreiungskriege das Königreich der Kemi wieder erhob, ernannte man den kleinen Kämpfer Kâl'Tân zu einem unbedeutenden Beamten. Er wurde ein Schreiber, der die Welt für viele Jahre durch die Kanten verschiedener Papyrusrollen sehen mußte. Ein kleiner Denker und Schreiber für Khefu, dem man einen bitteren Humor nachsagen konnte und eine bedingungslose Treue für ein Reich, das sich aus der gleichen Asche hochgerappelt hatte wie er selbst.
Nur einmal soll der Schreiber Kâl'Tân seine Stimme gegen eine Entscheidung seiner geliebten Königin erhoben haben. Als man altverdiente Streiter wie ihn in den Schreibstuben und Beamtenzimmern vergaß und für die Verwaltung der Lehenslande alles mögliche Geschwerl und Gelichter aus allen möglichen und unmöglichen Landen heranlockte, wie man Fliegen mit einer Kerze lockt. Seine Stimme wurde überhört und bis in die Paläste drang sie sowieso nicht vor.


Irgendwann, kurz vor einem Kronrat, der aus dem Königreich Trahelien das Königreich der Kemi schuf, waren Beamtenschaft und Priesterschaft fieberhaft auf der Suche nach jenen letzten Kemis. Man suchte nach Bürgerinnen und Bauersleuten, bei denen sich die Wurzeln so weit wie nur möglich auf dies wertvolle Erbe, daß man hochhalten wollte, zurückverfolgen ließen. Schreiber und Forscherinnen führten überall umständliche und lange Befragungen durch, Bürger mußten sich in Tempellisten eintragen lassen und Priesterinnen predigten von vergangenen, machtvollen Tagen. Kâl'Tân war einer der wenigen vom Glück oder vom Schicksal Erwählten, denen man ihr kemitisches Erbe eindeutig nachweisen konnte: Er war ein echter Kemi. Gut, es brachte ihm eine etwas größere Schreibstube, geheuchelten Respekt, gespielte Bewunderung und er mußte sich seine Rohrfedern nicht mehr selbst schneiden, aber sonst war er immer noch Kâl'Tân, der Schreiber.


Im Götterlaufe nach der Befreiung lagen die Gedanken der Königin bei Aletikan, der mittleren der drei urkemitischen Waldinseln. Die Kolonisierungsmaßnahmen dort zeigten mäßigen Erfolg und die Krallen der pestverbeulten Gierköpfe griffen von allen Horizonten nach dem Eiland. In langen Disputen kam man überein, den Akîb von Aeltikan mit immensem Bedacht zu erwählen.


Als Kâl'Tân seine Ernennungsurkunde in Händen hielt, war er erschlagen vor Überraschung, Freude und Verwunderung. Er brach seine Zelte in Khefu ab und betrat das Kriegsschiff, das ihn in sein Lehen bringen sollte. Als Kâl'Tân auf Aeltikan ankam, war er immer noch der Schreiber und Denker aus Khefu. Er sah die Welt als eine logistische Anhäufung von Kräften und Zahlen, die man wie in einem riesigen Brettspiel zu seinen Gunsten oder Ungunsten einsetzen und verschieben konnte. Nach gemütskältester Schreibermanier nahm er seine Aufgabe in Angriff und befahl schon drei Tage nach seiner Ankunft den Ausbau der Residenz und der Verteidigungsanlagen von Taris. Die Bauern mußten ihre Feldarbeit niederlegen, um Palisadenzäune aufzuziehen, Gräben ausheben und dererlei mehr.Bei diesen Arbeiten geschah es, daß ein vierjähriges Kind von einem Stapel Palisadenpfählen erschlagen wurde, die an einem schlammigen Hügelchen ins Rutschen gekommen waren. Als hätte Boron ihn selbst dorthingestellt, stand der Akîb in der Nähe, als das Unglück geschah. Zeugen erzählen, er soll der erste gewesen sein, der versucht hat, das Kind unter den Stämmen freizubekommen.Es war den Siedlern Aeltikans, als sei ihr Akîb an diesem Tag mit dem kleinen Kind gestorben und als würde er mit jedem kommenden Tag das Leben wieder neu erlernen. Er gab sich selbst und sonst niemand die Schuld am Tod des Kindes und hatte sich völlig verändert. Er begann, seine Untertanten anzuhören, auf sie einzugehen und kümmerte sich rührend sogar um die kleinsten Belange. Nichts mehr an ihm war der Schreiber, im Gegenteil, er mißachtete offensichtliche Vorratsrationierungslisten um Kranke zu versorgen und veränderte sogar feste Steuersätze. Er wies die äußeren Palisaden als Baumaterial für die Hütten der Ärmsten aus und begann selbst damit, sie niederzureißen.
Diese Liste aus Freizügigkeiten, die er beging, um seinen Siedlern unter die Arme zu greifen, ließe sich mit liebenswerten Kleinigkeiten unendlich fortsetzen.

 

***
 

Sanft schlingerte das Schiff hin und her. Wundervolle Ruhe herrschte unter Deck, wo Kâl`Tân trotzdieser den Schlaf eigentlich begünstigenden Umstände aufgeregt an die Decke schaute, wo die erstenzaghaften Sonnenstrahlen eines glänzenden Morgen im Rondra des Götterlaufs 26 S.G. für das ersteLicht sorgten. Nicht mehr lang und das Schiff, das ihm für diese Reise wieder von seinem FreundGiacinto di Mastai-Chiaramonti - der seit Beginn des Götterlaufs auch sein Sprecher für alleRegierungsangelegenheiten war - zur Verfügung gestellt worden war, würde im Hafen von Khefuanlegen.


Warum sollte er überhaupt nach Khefu kommen - und auch gleich noch mit allen Geweihten Aeltikans? Er hatte schließlich noch nie direkt mit einer der Größen der AlleinseligmachendenBoronkirche zu tun gehabt. Ganz im Gegenteil, hatte sein Weg zu dieser unübersichtlichen Institutionfernab der großen Wege stattgefunden. Und jetzt das Schreiben aus der Kurie mit der UnterschriftBoronya von Nedjhits.


Kâl`Tân überflog die vergangenen Jahre: Wie war es doch gewesen? Irgend etwas hatte ihm immerstärker gefehlt in diesen Jahren auf Aeltikan. Auf dieser schon unweit der Orte lebensfeindlichenInsel, wäre jahrelange Aufbauarbeit zu leisten gewesen. Das war auch nicht schlimm, und allesderische hätte er schon regeln können. Aber den Menschen dort fehlte etwas. Eine gemeinsameÜberzeugung, ein gemeinsames Ziel, das jeder anzustreben bereit gewesen wäre, auch über das inseiner jeweiligen Lebensspanne Erreichbare hinaus!Ihm hatte ja sein Glaube stets den Weg gewiesen,aber könnte nicht vielleicht er jetzt auch nach außen den Weg weisen? Gedanken über Gedankendamals. Bis dann eines Tages der alte Boroni Persuas aus Taris bei ihm vorbeigekommen war, umsich mit ihm zu unterhalten. Aus diesem ersten freundschaftlichen Gespräch hatte sich eineFreundschaft entwickelt und nach wenigen Monden stand sein Entschluss dann fest in dem Weg zurGeweihtenschaft eine Antwort auf seine Unruhe und seinen Tatendrang zu finden. Und dann dieSalbung, die ja auch schon fast vier Götterläufe her war.
Zusammen mit Persuas hatte er zunächst die Betreuung der Gläubigen in Taris übernommen. Aberals Akîb blieb ihm dafür so wenig Zeit. Andererseits hatte er ganz anderen Zugang zu den Leuten.Zudem war er auch häufig in Meden und Kerry. Und gerade dort war noch so viel zu tun. Also hatteer nach einem knappen Götterlauf mit Persuas` Kenntnissen einen Brief an die Kurie geschrieben undum zwei Boronpriester für die beiden Orte gebeten.Trotz mondelangen Wartens keine Antwort! EinesTages jedoch stiegen drei junge Boronis von einem Schiff am Anleger in Taris. Jedem von ihnen wareiner der Orte zugewiesen worden und er Kâl`Tân sollte ihre Tätigkeiten, so ihm Zeit blieb,aufeinander abstimmen. Für Persuas jedoch brachten sie ein Schreiben mit, in dem ihm ganzüberraschend eine neue Aufgabe auf dem Festland anvertraut wurde.
So stand er dann da. Mit drei unerfahrenen, unabhängig voneinander vorgehenden Boronpriesternund ohne den altbewährten Rat an seiner Seite. Ob er Zeit hätte? Sicher - in dieser Konstellation hättekeine Zeit zu haben bedeutet die Früchte der Arbeit des vergangenen Jahres aufzugeben.Dieseständigen Reisen zwischen den Orten in der Folgezeit. Teilweise am gleichen Tag mit den Verwalternsprechen und darauf dann zur Gemeinde und dort nach dem Rechten sehen. Zeitweise kam er nurnoch auf dem Schiff zum Schlafen. Aber dafür gediehen die Gemeinden vorzüglich - zumindest die,wenn man schon kaum infrastrukturelle und landwirtschaftliche Fortschritte erzielen konnte.Bemerkenswert eigentlich - je vergeblicher seine Mühen als Akîb schienen, desto mehr betätigte ersich mit Freuden bei dem, was unaufhörlich wuchs: bei "seinen" Gemeinden. Aber so schlecht sollteer sich die Lage auf Aeltikan nun auch nicht reden, immerhin hätte jemand der zum letzten Mal aufdie Insel gekommen war, als er selbst dort das erst Mal seinen Fuß auf den Boden setzte, die Ortewohl stark verändert vorgefunden. Bloß wenn man ständig bei etwas ist, hat man leichter denEindruck auf der Stelle zu treten.Nun denn, die Arbeit in Taris, Meden und Kerry mit den Gläubigenund den nach und nach entstandenen und gewachsenen Betätigungen der Boronis wurde so viel, dassein Geweihter je Ort nicht mehr ausreichte. Des weiteren musste er nun endgültig mehr Abstand vonseinen kirchlichen Tätigkeiten gewinnen, beschäftigten sie ihn mittlerweile schon fast drei von fünfPraiosläufen. Also wieder: Radikaler Umbruch.


Vor eineinhalb Götterläufen hatte er schließlich tagelang ein Schreiben an die Kurie verfasst. Andieser Formulierung schleifen, dieses mehr betonen, jenes streichen: Er brauche wieder dreiBoronpriester. Sicher wolle er sich weiterhin um die Belange der Gemeinden kümmern, aber erkönne nicht mehr ständig zwischen den Orten hin- und herpendeln, er brauche etwas Abstand. Auchregelmäßige Besuche wären ihm sehr wichtig, aber das Tagesgeschäft müssten die Zuständigen vorOrt selbst in die Hand nehmen, weshalb er um drei erfahrenere Mitbrüder bitte, die das Geschehenvor Ort jeweils mit der Unterstützung der bereits anwesenden jüngeren Brüder in die Hände nehmenkönnten usw. usf.Wieder gab es keine Antwort. Und als er nach sechs Monden mit seinen Kräftendem Ende nahe war und insgeheim an der effektiven Arbeit in Khefu zweifelte, gingen dreiBoronpriester in Taris vom Schiff. Von seinen Aufgaben in den Gemeinden sei er nunmehrentpflichtet, sie würden sich sogleich um die ihnen zugewiesenen Orte kümmern. Seinerepräsentativen Aufgaben und regelmäßige Besuche seien jedoch gerngesehen.
Wunderbar! Als unfähig hatte man ihn also abgestempelt. Entpflichtet, repräsentative Aufgabenkönne er hingegen weiterhin wahrnehmen. Aber er hatte es ja selbst mit seinem Brief so gewollt!Einwenig gedemütigt hatte er sich im vergangenen Götterlauf an seine derischen Aufgaben gemacht undein beträchtliches Handlungsdefizit festgestellt. Nun hatte er endlich Zeit für seine eigentlichenPflichten - einmal je Mond noch zu seinen Mitbrüdern und den drei Gemeinden, aber ansonstenkonnte er sich ruhig der Insel zuwenden, bis ihm auch diese Arbeit über den Kopf stieg. Und kurznach dem kleinen Konvent hatte er sich dazu durchgerungen das, was schon vor einiger Zeit inkirchlichen Angelegenheiten auf Aeltikan von statten gegangen war, auch auf administrativer Ebenedurchzuführen.War er jetzt zu weit gegangen? Aber wenn ja, was hätte dann die Kurie mit diesemletzten Schritt zu tun gehabt? Noch nie hatte er etwas aus Khefu gehört - insbesondere, wenn er essich gewünscht hatte. Es hatte immer nur Reaktionen gegeben. Also was sollte er jetzt dort, undwarum hatte man ihm mitgeteilt in Begleitung seiner sechs Mitgeweihten zu kommen?Bald würde eres wissen, lange konnte es nicht mehr dauern.


Wovon Kâl`Tân an diesem Morgen nicht wissen konnte, war ein Gespräch zwischen BoronianVarzim Pâestumai und dessen persönlichem Sekretär, das sich im vorangegangenen Praios zugetragenhatte."Was weißt du über diesen Kâl`Tân? Ich bin gestern die Unterlagen durchgegangen, die du mirvergangene Woche gegeben hattest - und da ist er mir aufgefallen.""Sprecht Ihr von den Unterlagen,die ich für Euch habe zusammenstellen lassen? Nun Kâl`Tâns Akte ist mir schon vor über einemhalben Jahr übergeben worden. Aber ich habe erst die Vervollständigung des Teils über Neu-Premabwarten wollen, damit ich Euch die Unterlagen vollständig überreichen konnte. Daher erinnere ichmich nicht mehr an die Einzelheiten, die über Kâl`Tân vermerkt waren. Aber... eine wechselvolleLebensgeschichte hatte er, wie mir einfällt und nachdem er vor vielen Jahren bereits eine positiveÜberraschung in administrativen Belangen nach seiner Belehnung in Aeltikan war, entwickelte sicheinen immer stärkerer Bezug zu unserer Kirche. Wir haben dann den damaligen Geweihten in Tarisauf ihn aufmerksam gemacht und ihm nahegelegt sich intensiv um den Akîb zu kümmern und ihmZugang zur Kirche zu bieten. Nachdem er vor wenigen Jahren im Anschluss an eine gründlicheVorbereitungszeit an verschiedenen Orten dann zum Boroni geweiht worden war, begann er mit einerbemerkenswerten Emsigkeit die Kirche auf Aeltikan neu zu organisieren und bat regelmäßig um dieEntsendung tatkräftiger Boronpriester. Er hat mittlerweile sechs Boronis neben sich in den Orten aufder Insel und setzt anscheinend umsichtig aber zielorientiert alles daran, die Insel rechtgläubig zumachen."


"Und warum ist der Mann noch nicht Mehib?"
"Das weiß ich nicht, Euer Erhabene Hochwürden, Erlaucht."
"Nun, die Kinder des Herrn sind dort lange genug Waisen geblieben. Wir finden, dies sollte sicheinmal ändern. Bei Unserer nächsten Unterredung mit Unserer erhabenen und geliebten heiligenMutter werden Wir das Thema einmal zur Sprache bringen, auf daß es dann in die Kurie eingebrachtwerden kann. Bereite Er alle Unterlagen dafür vor."
"Ja, Euer Erhabene Hochwürden, Erlaucht!"
Das Gespräch mit Ihrer Heiligen Eminenz verlief rasch erfolgversprechend. Großes Interesse zeigtesie an Kâl´Tân und seinen bisherigen Verdiensten für die Staatskirche. Auch in der Kurie derAlleinseligmachenden Heiligen Boron Staatskirche hatte der Antrag auf Ernennung zum Mehib NiNeu-Prêm keine Schwierigkeiten zu überwinden, so daß schon nach einem Mond dasEinladungsschreiben gesandt werden konnte.
Möge der Heilige Rabe mit dem neuen Mehib sein.

 

Khefu, am 30. FEF 26 S.G.An einem Borontag, dem 30. FEF 26. S.G., fand im Basalthaus eine Zeremonie außergewöhnlichen Umfangs statt. Doch der Seltenheit dieser Ereignisse wegen verwunderte die schlichte Schönheit des Vorgangs niemanden. Denn niemand geringeres als Boronya von Nedjhit salbte mit dem alsGastgeber anwesenden Boronîan Varzim Pâestumai den Boroni Kâl`Tân zum Mehib. Einige Zeit zuvor war der auf Aeltikan seinen Dienst verrichtende Geweihte zum Mehib ni Neu-Prem ernannt worden. Die Rabenschwinge wünscht dem in den kommenden Praiosläufen zu seiner Ta´Mehib aufbrechenden Kirchenmann alles Gute und Erfolg beim Einen der auseinaderstrebenden Geister auf den Inseln.

Taris, am 28 FTR 26 S.G. Es war der Tag, an dem die neue Támehib Neu-Prêm ihren Mehib bekam. Mit der wohlwollendenBegleitung der anwesenden Größen der Ta`Repa Neu-Prem, die nach den Feierlichkeiten noch zueinem kleinen aber langgezogenen Empfang in die Räumlichkeiten des Borontempels geladen waren,mag so auf den Inseln in den kommenden Götterläufen einerseits der wahre Glaube gestärkt werdenund andererseits der Abbau von Empfindlichkeiten vorangehen:


... Eigentlich war schon alles auf dem Marktplatz von Taris für den großen Festgottesdienst amspäten Vormittag bereitet. Doch schon vor dem Aufgehen der Praiosscheibe huschten einigeGestalten hektisch hin und her. Besonders auffällig war eine, die sich den Platz systematisch ansahund reihum jeden Helfer belehrte, korrigierte und alles selbst in die Hand hätte nehmen wollen, wennsie nicht, wie sie ständig betonte, eiligst hätte aufbrechen müssen. "Und dass das hier alles perfekt ist,wenn ich zurückkomme", hieß es nur erbost - und weg war sie.
Bei der entschlossenen Person handelte es sich um Giacinto di Mastai-Chiaramonti, den Sprecher Kâl'tâns, der mit der Organisation des Festgottesdienstes beauftragt worden war und der auf gar keinen Fall wollte, dass etwas nicht so klappte wie er es sich vorgestellt hatte. Es waren schließlicheine Reihe von wichtigen Persönlichkeiten aus der Tárepa Neu-Prêm schon am Vorabend angereist, die im zuvor geräumten örtlichen Gasthaus recht bescheiden untergebracht worden waren. Seit vielen Jahren konnte er sich nach seiner Zeit in Drôl erstmals wieder als Zeremonienmeister beweisen. Und schließlich ging es um nichts geringeres als die Besitzergreifung Kâl'tâns von der neugeschaffenen Támehib Neu-Prêm. Es musste also alles klappen. Doch auch die nervenaufreibende Zeit bis zum Beginn der Feierlichkeiten verging, und kurz bevor die Praiosscheibe ihren höchsten Stand erreichte, hatten die Gäste die der Einladung gefolgt waren, der Ser-Repa Falk Arres, der Hátyá Rodrigo Diaz de Vivaria con ya Sermo, der Inquisitionsrat Merenre Bastet Neith, die Akîbet Jariella Aarenburg, und die Akîbs Alarion von Schattenfels, Thoran Malveel, Abdallah Al-zahyd und Jiacomo Aurandis auf dem am Ende des Platzes errichteten Podest links und rechts vom Altar platzgenommen. Auf dem Marktplatz stand eine große Menge Menschen um die wenigen dort schon lange besetzten Sitzgelegenheiten. Eine einzige von eifrigen Helfern freigehaltene Schneise zog sich vom Podest bis zum Borontempel in der dem Podest gegenüberliegenden Häuserfront über den Marktplatz durch die Menschenmenge hindurch. Durch sie sollte der Einzug des neuen Mehibs vom Tempel ausgehend durch die Menge bis zu seinem Platz auf dem Podest stattfinden.< br> "Allmächtiger Boron, gib dass diese Menschen erkennen, was ich mir dabei gedacht habe... Ist jetzt jeder fertig? Können wir endlich anfangen, ja? Dann raus, raus! Und denkt daran, auf dem Podest nehmen jeweils drei links und rechts vom Mehib Platz - und dass sich keiner in die Mitte setzt!"
Auf dem Marktplatz machte die brütende Hitze vielen, die schließlich schon seit einiger Zeit auf ihren Plätzen saßen oder schlimmer noch dicht an dicht standen, sichtlich zu schaffen. Und so mischte sich zur Freude über den Beginn dieser wichtigen und feierlichen Zeremonie auch die Freude über das Ende des Wartens, als die Reihe der Borongeweihten aus dem Hauptportal des Tempels auf den Marktplatz trat. Die sechs Geweihten und der Mehib am Ende ihrer Reihe schritten langsam über den Platz. Einige Hände konnten ergriffen, einige freundliche Worte zu den Umstehenden gesprochenwerden, doch der kleine Zug wurde von den eifrigen Helfern unter den argwöhnischen Augen des Giacinto di Mastai-Chiaramonti unaufhörlich vorangetrieben, dem Podest, seinem Ziel entgegen...

 

Taris, im FBO 30 S.G. Überraschend und ohne Angabe von Gründen erklärte der bisherige Ser-Hátya ni Chrysemis, Alarion von Schattenfels, seinen Rücktritt. Da jedoch umgehend der Mehib ni Neu-Prêm und Akib ni Aeltikan, Kâl'Tân, zu seinem Nachfolger ernannt wurde, scheint der beabsichtigte Schritt Alarion von Schattenfels' in Khefu seit so langer Zeit bekannt zu sein, dass eine Nachfolgeregelung zwischen dem Hátya Rodrigo Diaz de Vivarya con ya Sermo in Re'Cha sowie dem Nisutlichen Hof zu Khefu abgesprochen werden konnte. Besonders zuversichtlich gab sich der seit der Jagd nach dem als "Bestie von Khefu" bekannten Vampyr in Sefechnu-Seba augenscheinlich gesundheitlich angegriffene Hátya Rodrigo: er beauftragte seinen neuen Vertreter nach dessen Ernennung unverzüglich, die Geschäfte der Ta'Hátya zu führen.
Der neue Ser-Hátya ni Chrysemis, Kâl'Tân, zeigte sich geehrt von dem ihm sowohl seitens des Hátyas als auch von der Krone entgegengebrachte Vertrauen und äußerte die Hoffnung, dass das neuerliche Zusammenrücken von Boronstaatskirche und Verwaltung auf den Inseln dem Wohle der Bevölkerung und der Einheit des Reiches dienen werde.

Taris, im FPR 32 S.G. Knapp zwei Götterläufe nach seiner Ernennung zu Ser-Hátya ni Chrysemis wurde Kâl'Tân, Mehib ni Neu-Prem und Akîb ni Aeltikan, von Ihrer Majestät Nisut Ela XV. Setepen zum Nachfolger des Hátya Rodrigo Diaz de Vivarya con ya Sermo ernannt.


Dieser war, von seiner langwierigen Krankheit erholt, die ihn über zwei Jahre zu zurückgezogenem Leben verurteilt hatte, zu Beginn des Jahres 32 S.G. nach Khefu aufgebrochen, um der Regentin nach zahlreichen Götternamen wieder seine Aufwartung zu machen. Unvorhergesehen verblieb Rodrigo Diaz de Vivarya con ya Sermo nach seiner Reise auf das Festland in Khefu, wo ihn Nisut Ela XV. Setepen zum Inselgesandten im Cronrat und General ihrer Leibgarde ernannte. Die Bestimmung des bisherigen Stellvertreters Rodrigos zu seinem Nachfolger fiel auch mit der umfangreichen Verwaltungsreform des Nisutreich zusammen.