Kari Eirikson

Akîb Ni König-Kacha-Archipel

Kari Eirikson wurde wahrscheinlich am 26. Rondra 27 vor Hal in Seske bei Thorwal geboren. Jedenfalls feiert er alljährlich an diesem Tag seinen Geburtstag und behauptet von sich, vor einem Jahr fünfzig geworden zu sein. Allerdings merkt man dem hünenhaften Thorwaler dieses Alter nicht an. Seine feuerroten Haare sind zwar inzwischen fast ausschließlich auf der unteren Hälfte des Kopfes zu finden, aber was Kraft und Gewandtheit angeht, so kann er es mit jedem Fünfundzwanzigjährigen aufnehmen.
Über Karis Jugend weiß ich nur wenig zu berichten. Er selbst redet so gut wie nie darüber. Sein Vater war wohl Kaufmann in Serske und ab und an erwähnt er einen Bruder. Aber sonderlich gut scheint das Verhältnis zu seiner Familie nicht zu sein. Jedesmal wenn ich näheres über sie erfahren will, schweift Karis Blick in die Ferne, er seufzt ein- oder zweimal und sagt dann nur, das alles sei schon lange her und es wäre Zeitverschwendung, Worte darüber zu verlieren. Danach greift er zu seinem Thin, nimmt einen kräftigen Schluck und wechselt das Thema.
Mit sechzehn oder siebzehn muß Kari seine Heimat verlassen haben. Im Jahre 10 vor Hal schloß er sich der Seesöldnergilde in "Zum schwarzen Säbel" in Kuslik an. Dort hat er eine verdammt gute Kampfausbildung genossen. Ich hatte desöftern die Gelegenheit, seine Künste im Nahkampf und mit Bordwaffen zu bewundern. Puh, ich war jedesmal glücklich, auf seiner Seite zu stehen.
Bei den schwarzen Säbeln blieb Kari sehr lange - insgesamt über zwölf Jahre. Warum er schließlich die Gilde verließ, hat er mir nie persönlich gesagt. Ich konnte aber vor einigen Jahren einen Landgang in Kuslik dazu nutzen, einige Nachforschungen anzustellen. So erfuhr ich, daß Kari im Jahre 2 Hal nur kurz vor der Beförderung zum Hauptmann stand. Dann aber gab es Streit mit dem Gildenmeister. Es kam zum offenen Konflikt und Kari soll ihm angedroht haben, ihn tot zu schlagen...


Wenige Tage später schwamm der Gildenmeister tot im Kusliker Hafenbecken. Kari beteuerte seine Unschuld, aber er war der Hauptverdächtige und landete deshalb erstmal im Kerker. Dort hielt es ihn jedoch nicht lange! Kari floh nach zwei Tagen auf spektakuläre Weise - was in Kuslik für großen Wirbel sorgte - und tauchte unter.
Doch seine Flucht war umsonst gewesen. Die Stadtgarde faßte nämlich drei Tage nach seiner "Abreise" die wahren Mörder und Karis Unschuld war damit bewiesen. Aber Kari wußte ja nichts von seinem Glück! Seinen Erzählungen nach verzog er sich zunächst in Richtung Weiden und Beilunk und schlug sich zusammen mit einigen Abenteurern durchs Leben - Arbeit als freischaffender Söldner, wie Kari zu sagen pflegt - und war froh, wenn niemand nach seiner Vergangenheit fragte.
Erst fünf oder sechs Jahre später erhielt Kari Nachricht vom Beweis seiner Unschuld und wurde schließlich von den schwarzen Säbeln rehabilitiert. Es folgten weitere Jahre, in denen Kari kreuz und quer durchs Land zog, bis es ihn eines Tages nach Sylla verschlug. Dort traf er in einer Hafenspelunke den eher unbekannten Piratenkapitän Sleven Gheroson. Nach einigen Humpen Bier bot ihm dieser an, sich seiner Mannschaft anzuschließen. Kari sagte zu und schon einige Wochen später war er dank seiner großen nautischen Erfahrung der wichtigste Mann auf Slevens Kahn. Als der Käpt´n im Jahr 12 Hal an Fieber verstarb, wählte die Besatzung Kari zu seinem Nachfolger. Es folgten einige gewinnträchtige Jahre als Freibeuter. Insgesamt kaperten Kari und seine Mannen rund 19 kleiner und mittlere Schiffe, meist solche unter der Flagge Al`Anfas. Dort war sein Name auch bald bekannt. Allerdings nur in Verbindung mit dem Zusatz "30 Dublonen, tot oder lebendig".


Als es zum Krieg zwischen Al'Anfa und dem Kemi-Reich kam und es in der Gegend um Sylla nur noch so von Kriegsschiffen wimmelte, verzog sich Kari in Richtung der Waldinseln. Dort war es ruhiger und die Schiffe des Stoerrebrandts versprachen reiche Beute. Doch beim dritten Angriff auf eine bornsche Kogge machte Käpt'n Kari einen schweren Fehler: Er ließ sich in einen Hinterhalt locken und sein Drachen wurde versenkt.
Wie durch ein Wunder überlebte Kari die Katastrophe. Verzweifelt klammerte er sich an eine Planke und trieb drei Tage auf offener See, bis ihn ein Sturm an den Strand einer kleinen Insel spülte. Dort fand er eine Trinkwasserquelle und jede Menge Bananen und Kokosnüsse. Nur menschliche Wesen gab es nicht. Da ihm das nötige Werkzeug fehlte, konnte er sich nicht mal ein vernünftiges Floß bauen, um damit die Insel zu verlassen. Er versuchte es zwar einige Male, aber seine teils gewagten Konstruktionen fielen oft schon in Küstennähe auseinander. Nach gut einem halben Jahr hatte sich Kari mit seiner Situation abgefunden. Er richtete sich häuslich ein und fand mit der Zeit gefallen an seinem Einsiedlerdasein ...


Fünf Jahre vergingen. Schließlich aber ankerte eines Tages das Drachenschiff von Fürstin Iskra vor der Inselküste. Auf der Überfahrt von Demy nach Chaset hatte ein Sturm sie vom üblichen Kurs abgebracht und ihr Schiff schwer beschädigt. Kari - inzwischen etwas seltsam und eigensinnig geworden - war über das fremde Schiff sehr erstaunt. Er diskutierte lange mit sich selbst, ob er sich bemerkbar machen sollte oder nicht. Doch schließlich wurde er von Iskras Mannen entdeckt und diese waren recht erstaunt über den komischen alten Kauz mit der Glatze und dem feuerroten Zottelbart. Iskra erfuhr von Karis Schicksal und alsbald wurde seine Rettung mit einem Faß Premer Feuer gebührend gefeiert. Nach fünf Jahren der Abstinenz ein Erlebnis, das Kari nie vergessen wird.
Am Ende des Fasses - Kari und Iskra lagen bereits darnieder - konnte der Einsiedler immer noch nicht glauben, daß Iskra eine waschechte Kemi-Fürstin sein sollte. Daraufhin wurde Iskra etwas böse. Leicht benebelt ernannte sie Kari zum Baron des König-Kacha-Archipels - um ihm ihre Macht zu beweisen ... Am nächsten Tag brachte Iskras Drachen den verkaterten Kari auf die Hauptinsel des Archipels und dort wurde er den zwanzig Bewohnern der Inselgruppe als neuer Baron vorgestellt. Die Waldmenschen, Mohas und Echsen akzeptierten Kari schon bald als ihren Regenten.
Viel zu tun hat Kari als Baron allerdings nicht. Wenn man genau nimmt, ist er sogar recht überflüssig. Aber wen stört das schon. Kari ist zufrieden, seine Untertanen sind es auch, und im Kemi-Reich schert sich sowieso kein Mensch um das kleine Archipel weit weg von Zentrum der Macht.

 

***
 

Kari Eiriksson wurde im Jahre 28 S.G. für tot erklärt, nachdem man seit zwei Jahren keine Spur mehr von dem Akîb gefunden hatte. Es ist zu vermuten, daß der Thorwaler sein Inselexil mit einem selbstgebauten Floß verlassen wollte und dabei ertrank.