Nesereka di Guya-Biazzan

Gesandte in Brabak

"Oh nein, Reichskanzler, solche Spielchen mögt Ihr mit den Al'Anfanern treiben, oder mit der Horas, doch die Nisut wird nicht gerade erbaut von Euren Ideechen sein."
Ruhig und eindringlich hatte die kleine Frau gesprochen. Hätte Guelmo de Sylphur-Hardebrand nicht schon unzählige Male mit ihr verhandelt, so wäre er sicherlich überrascht gewesen über das forsche Auftreten der zierlichen Person oder hätte sich sogar beleidigt gefühlt. So ging er einfach darüber hinweg. Nesereka Ni Biazzan wusste sich durchzusetzen und war eine zähe Politikerin. Wahrscheinlich hielt man es nur so mit einem Ehemann wie di Guya aus, dachte der Brabaki.


Noch einmal musterte er die Botschafterin der kem'schen Nisut, um etwas Zeit zu gewinnen, seine vom Thema abgelittenen Gedanken etwas zu ordnen. Nesereka war äußerlich in der Tat nicht gerade das, was man sich unter einer unerbittlichen Verhandlungspartnerin vorstellte. Klein und schmal gebaut, fielen ihr die seidigen schwarzen Haare glatt über die Schultern und bis zu den Hüften hinunter. Auf ihrem ebenmäßigen Gesicht schimmerte Sanftheit, nicht Tücke. Ihr Lächeln war ehrlich, dass wusste er. Wenn ihr etwas nicht gefiel, dann zeigte sie es auch.


Er versuchte es mit einer Entgegnung: "Nun, Excellenz, Ihr wisst selber sehr gut, dass sich immer mehr dunkles Gesindel im Süden herumtreibt. Die Al'Anfaner strecken ihre gierigen Finger wieder weiter aus, und aus diesen Heptarchien kommt auch nicht gutes. Und dann noch diese stinkenden Freibeuter. Die Tavernen Brabaks sind voll davon. Die Gefahr aus dem Osten wird sich auch am Kap einnisten, wenn wir nichts dagegen unternehmen. Da ist es doch nur verständlich, dass König Mizirion angeordnet hat, alle bewaffnete Schiffe, die in den Hafen unserer Hauptstadt einlaufen, strengstens zu durchsuchen. Die Unannehmlichkeiten, die dem geschätzten Repa von Neu-Prêm dadurch zugeführt wurden, bedauert der König zutiefst. Wir sollten aus einem Moskito jedoch keinen Elefanten machen."


Guelmo wusste bereits, dass ihr diese Argumentation nicht reichen würde, denn die zierliche Botschafterin war gerade erst in Fahrt gekommen. Zuviel Händlerblut floss in Neserekas Adern, als dass sie so schnell Ruhe geben würde. Eng waren die Ni Biazzans mit den Mezkarai, der kem'schen Handlsdynastie nahe der Grenze zu Brabak, verbunden; beinahe schien es, die beiden Familien seien inzwischen zu einer verschmolzen. Warum die Botschafterin wohl Fortunato di Guya geheiratet hatte? Es war sicherlich nicht gerade einfach, mit dem "Viehbaron" vermählt zu sein. Der Sitiario von Yaliea gehörte zu den unsympathischsten Menschen, die der Reichskanzler Brabaks je kennengelernt hatte, und er beneidete seinen Vetter Nestario nicht um diesen Vasallen. Di Guya war reich und ... reich. Durch Viehzucht hatte seine Familie ihr Vermögen gemacht und sich praktisch in den Adel Brabaks eingekauft. Seiner Neider waren es viele - mindestens alle, die Schulden bei ihm hatten - und das waren in der Tat viele. Sollte gar sein Geld der Grund der Verbindung Neserekas mit Fortunato sein?
Wenn die beiden öffentlich auftraten, blieb die Botschafterin stets im Hintergrund. Erst, wenn man alleine mit ihr sprach, konnte man erkennen, dass die zierliche Person ihren eigenen Kopf besaß und diesen auch durchzusetzen wusste. Ganz Brabak wunderte sich, wie sie es geschafft hatte, ihren ursprünglich aus Almada stammenden Gatten zum kem'schen Boronglauben zu "erziehen", eine höchst ungewöhnliche Art der Religionsausübung am Kap. Die beiden standen in dem Ruf, tiefgläubig zu sein.


Erneut hob Guelmo an: "Meine Liebe, Ihr wisst, die Hafenbeamten handelten nur strikt nach ihrer Anweisung, jedes ausländische offensichtlich bewaffnete Schiff zu überprüfen. Das geschieht schon immer in Zuge der Zollkontrollen...und ihr solltet froh sein, dass dieser bedauerliche Irrtum einem Hafenbeamten, und nicht dem wachhabenden Offizier der Hafengeschütze...am besten, ihr kündigt nächstes Mal so hohen Besuch vorher an."
"Reichskanzler, ihr solltet wissen, dass ich nicht so leicht zu bekommen bin. Ohne eine offizielle Entschuldigung Eurerseits - und das versteht sich von selbst - wird sich die Nisut nicht zufrieden geben..." Während Nesereka weitersprach, warf der Kanzler einen schnellen Blick aus dem Fenster und seufzte innerlich. Die Nacht würde noch sehr lang werden.......