Tá'akîbet Tásebá

 
 

Schildkröten und weissem Sandstrand - von der Beschaffenheit Tásebás

 

Gemäss Eures Wunsches, werte Exellenz, will ich nun also versuchen, Euch meine Eindrücke über Tásebá zu schildern [...]
Südlich gelegen, von undurchdringlich scheinendem Urwald bewachsen, zeichnet sich Tásebá, wie es heute ist, vor allem durch seine Fruchtbarkeit aus, dort, wo nicht beständiger Kampf die Felder der Menschen sichert, grünen schon bald wieder hunderte kleiner Bäume, Farne und anderes Unterholz. Im Süden und auf den kleinen Inseln um Tásebá herum wachsen die Bäume nicht in diesem Ausmaß, werden sie doch durch die frühjährlichen Stürme geknickt, hier wächst der wilde Tee, der zum kraftvollen Sebá-Tee gezüchtet wurde. In der Erde Tásebás wachsen zudem noch die vor allem im Norden begehrten Gewürze.
Die südlichen Strände, die sich endlos zu erstrecken scheinen, sind auch das Brutgebiet für eine Vielzahl verschiedener Schildkrötenarten, die hier ihre Eier legen. Auch sind die flachen Gewässer zwischen den kleineren Inseln und der Küste Tásebás reich an Fischen verschiedenster Art.
Im Norden liegt auch ein natürlicher Teersee, dessen Teer vor allem ins Káhet geliefert wird, wo er auch in der Kriegsflotte Verwendung findet. An Tieren gibt es neben den erwähnten Schildkröten noch viele Tiere, die es auch in den Urwäldern des Festlandes gibt, meist nur kleiner, hinzu kommen die Tiere, die sich nur auf den Inseln finden und wohl noch unzählige Tiere von deren Existenz nur die Waldmenschen wissen.
So liesse sich also unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten
[...]"
(Aus dem geheimen Dossier der Kanzlei zur Beschaffenheit Tásebás)

 

 

Fischer, Waldmenschen und Urkemi - Land und Leute Tásebás

Tásebá besteht zum einen aus mehreren Fischerdörfern, den sieben Sternen, wobei dem siebten Stern Sefechnu Sebá die Rolle der Baronie- und Provinzhauptstadt zufällt. Daneben gibt es noch die im Dschungel versteckten Dörfer der Achaz und Waldmenschen sowie die Plantagen der grossen Familien Al'Plâne und Sêkemát.
Die meisten Einwohner und Einwohnerinnen der Tá'akîbet sind Kemi, die der Verlockung der Inseln erlegen waren und sich hier eine, meist einfache, neue Existenz aufgebaut haben. Sie leben als Fischer, Handwerkerinnen, Bauern und Plantagenarbeiterinnen und prägen mit ihren grossen Strohhüten das Bild des typischen Tásebers. Daneben gibt es noch die wenigen Überbleibsel des einstigen Waldmenschenkaiserreichs, die verborgen in den dichten Wäldern nördlich Sefechnu Sebás leben und von denen einige wenige als Boten und Führer für die Al'Plânes und Sêkemát arbeiten.
Seit der Vermählung von Akîbet Akilja Al'Plâne mit dem jungen Nesrel K'Thên Sêkemát hat sich eine dritte grosse Gruppe zu den Bewohnern und Bewohnerinnen Tásebas hinzugesellt, nämlich der Erneuerer oder auch Djerres-Zweig der Familie Sêkemát, der sich hier in Djerres eine vom Stammsitz in Tárethon unabhängige Existenz aufbauen möchte.
Sefechnu Sebá oder der siebte Stern ist wohl die einzige Ansiedlung in Tásebá die wirklich den Namen "Stadt" verdient haben könnte. Durch das Zusammenwirken der Akîbet und des Neset hat Sefechnu Sebá einen horasichen Anstrich und wird von seinen Bewohnern und Bewohnerinnen auch spöttisch Klein-Methumis genannt. Im Zentrum der Stadt liegt die im horasichen Stil blinkende Residenz des Neset, an der vor allem der gepflegte Garten hervorsticht, und auch die Residenz der Akîbet. Etwas ausserhalb von Sefechnu Sebá erhebt sich ein gewatliger Borontempel. In der Stadt selber findet sich ebenfalls ein - schlichterer - Tempel des Allweisen. Alle Fäden Djerres laufen in Sefechnu zusammen, ist die Stadt doch gleichzeitg Residenz des Neset und der Akîbet...

 

 

Tee, Tabak, Teer und Gewürze - der Handel Tásebás

"Wir sind keine Händler, es fehlt uns am Geschick und an Erfahrung, deshalb brauchen wir Händler als unsere Verbündeten, und wer wäre da geeigneter als die Al'Plânes?"
Sá'hotep Sêkemát auf die Frage nach den Gründen für die Liaison mit den Al'Plânes.

Die Familie Sêkemát hat sich mit der Familie Al'Plâne verbündet, um an der Ausbeutung Tásebás; teilzuhaben, wobei die Sêkemát glücklich sind, den Handel den Al'Plânes zu überlassen und sich selbst auf die Produktion zu konzentrieren, den tief in ihrem Inneren sind die Sêkemát weniger Händler als Bauern, die sehen wollen, wie die zarten Blätter der Teesträucher langsam grünen. Die Al'Plânes hingegen profitieren nicht nur von dem Prestige, das die Verbindung mit einer der urkemischen Familien bringt, sondern auch von der Erfahrung der Sêkemát, was die Landwirtschaft betrifft.
Die beiden Familien haben in Tásebá die absolute Kontrolle über den Handel, und man könnte meinen, ihnen würde Tásebá gehören. Die Schiffe der Al'Plânes und der Sêkemát fahren mit Gewürzen Tee, Teer und Tabak beladen zu den Häfen des Káhets und auch des Tulamidenlandes, um dort ihre Ladung gegen all das zu tauschen, was in Tásebá nicht hergestellt werden kann.
Unter den Produkten Tásebás stechen zwei besonders heraus: Zum einen der Sebá-Tee, dessen kraftvolles Aroma und dunkle Farbe nicht nur im Káhet geschätzt wird, und zum anderen der Shilajev-Tabak, der sich durch aromatische Milde auszeichnet.

 

 

Büttel und Schreiberlinge - die Verwaltung Tásebás

Die junge Akibet hat unter sich eine Handvoll Büttel und Beamte, die in den einzelnen Dörfern für Ordnung sorgen sollen und sich um die Erhebung der Steuern kümmern. Die Akibet reist ab und zu einmal überrschend zu ihren Beamten, um ihre Loyalität zu testen. Sie plant dabei, den von ihrem Vorgänger übernommenen Beamtenstab zusammen mit ihrem Ser-Akîbet neu zu ordnen und einige Stellen zu ersetzen. Wie diese Veränderungen aussehen werden ist aber noch nicht klar.

 

Die Tásah Sjepengurken/Süd

Logbuch der 'Rabenflug':


10. Efferd 183 GE
Wir machen heute gute Fahrt. Werden heute noch Iltoken anlaufen. Heute wurde ein Rudersklave wegen Aufsässigkeit exekutiert. Die Stimmung in der Mannschaft ist unruhig. Steuermann Al'Mhar hat mich aufgefordert, die Leute nicht zu hart anzufassen. Doch schwierige Zeiten erfordern schwierige Maßnahmen.

 

12. Efferd 183 GE
Zwei Matrosen haben sich gestern auf Iltoken abgesetzt. Habe kein Suchkommando ausgeschickt, denn die Eingeborenen sind recht unfriedlich. Hauptmann Gerbel wurde mit der Disziplinierung der Mannschaft beauftragt. Mehrere Matrosen mußten ausgepeitscht werden. Leider können wir die Sklaven nicht mit der Beschaffung von Frischwasser und Lebensmittel beauftragen.

 

20. Efferd 183 GE
Sind wieder auf hoher See. Mein zweiter Offizier, Radek Karinor, protestiert im Namen der Mannschaft gegen meine Maßnahmen. Habe angeordnet, ihn in Eisen legen zu lassen und in Neu-Visar vor Anklage zu stellen. Steuermann Al'Mhar hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt.

 

12. Travia 183 GE
Ein schwerer Sturm kommt von Norden her auf. Obwohl Al'Mhar mich drängt, Javalasi anzulaufen, habe ich mich entschieden, mit voller Ruderleistung weiterzufahren.

 

15. Travia 183 GE
Schwere Schäden am Schiff. Fünf Matrosen sind im Sturm verloren gegangen, sieben Sklaven sind gestorben. Habe Al'Mhar seines Amtes enthoben und angeordnet, ihn in Eisen legen zu lassen. Er scheint die Mannschaft gegen mich aufzuhetzen.

 

21. Travia 183 GE
Kapitän Ranec Al'Mhar: Ich habe am heutigen Tag das Kommando übernommen. Der Käpt'n wurde seines Amtes enthoben und, nachdem er der berechtigten Übernahme des Schiffes Widerstand entgegengesetzt hat, getötet. Vier Offiziere haben sich geweigert, sich uns anzuschließen, nun sollen sie eben nach Al'Anfa zurückrudern. Mit sofortiger Wirkung wird Radek Karinor zum ersten Offizier ernannt. Wir werden nach den nötigen Reparaturen Südkurs einschlagen. Dort hoffen wir, einen sicheren Zufluchtsort zu finden. Das Wetter ist schlecht. Hoffentlich beruhigt sich die See wieder.

 

27. Tavia 183 GE
Ein weiterer Sturm hat uns in völlig unbekannte Gewässer verschlagen. Laut meinen Berechnungen befinden wir uns nun weit südlich von Mikkan. Ich habe keine Ahnung, welchen Kurs wir einschlagen können. Radek Karinor hat im Osten Vögel gesichtet, so daß wir auf Land hoffen können. Die Schäden am Schiff sind sehr schwer.

 

1. Boron 183 GE (Welch' Omen! Heilig!)
Gerade rechtzeitig haben wir heute morgen eine Insel erreicht. Unser Schiff leckt an mehreren Stellen, und ich habe den Befehl zur Evakuierung gegeben. Ich habe beschlossen, die Sklaven freizulassen, denn wir müssen nun alle zusammenhalten. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß wir jemals von hier wieder wegkommen werden.

 

3. Boron 183 GE
Die 'Rabenflug' ist gesunken. Wir haben unser Lager hier am Strand aufgeschlagen. Die Insel ist scheinbar unbewohnt, was uns die Sorge vor wilden Eingeborenen nimmt. Einige von den Sklaven sind nach Norden gezogen, doch der Großteil wird mit uns zusammen hier ein Fort aufbauen."

 

***
 

So begann vor genau 250 Jahren die Geschichte der kleinen Stadt Sjepenhusen auf dem einsamen vor dem wilden Aáresy gelegenen Eiland Seker'anch. Die Nachkommen der damaligen Meuterer leben heute als treue Untertanen unserer Nisut.
Zum Gedenken an ihre Vorfahren hat der ehemalige Sah Ni Sjepenhusen, Dio Cardassion de Cavazo, dem kleinen Ort eine Statue des Anführers der verwegenen Schar, Ranec Al'Mhar, gestiftet, die vor einigen Monden in einer kleinen, jedoch hochrangig besetzten Feierlichkeit von seiner Ur-Ur-Ur-Enkelin Rhina Al'Mhar enthüllt wurde. Eigentlich wurde die Staute zweimal enthüllt, denn der Gemahl der damaligen Akîbet Karilja Sjepengurken, Bert von Greuelfingen, hatte sich wegen Küchenpflichten verspätet, so daß die Akîbet flugs die nochmalige Enthüllung des Denkmals, in dessen Sockel alle Namen der Meuterer eingraviert worden waren, anordnete. "Weil das ja nicht nett ist, wenn der Bert nicht sehen tut, wenn die Rhina das Tuch da runterziehen tut, von dem Ranec. Also nicht von dem echten, denn der liegt ja da auf dem Boronsanger, weil der ist ja schon lange tot. Und das wär dann ja kein schöner Anblick, und auch dem Herrn Boron nicht so gefällig, und deshalb."
Und so feierte die glückliche, kleine Gemeinde und ihre hochrangigen Gäste vor den eilends ausgestellten historischen Stücken von der 'Rabenflug' (das Logbuch, eine Planke mit dem Schiffsnamen, dem Hut des Kapitäns und Ranec Al'Mhars Augenklappe) in der barönlichen Taverne "Zur Lieben Frau Königin" fröhlich den Neuanfang ihrer Vorfahren.

(Aus der "Rabenschwinge" Nr.12)


"...und so begab es sich, als der Mehib Ni Neu-Prêm, Kal'Tan in Sjepenhusenankam. An der Mole - denn natürlich konnte sein Schiff nicht in die flache Bucht einlaufen, er wurde alsoherangerudert - wurde er von Akîbet Karilja Sjepengurken begrüßt, einer stämmigen Bornländerin in typisch bornischer Adelstracht, die ein kleines Kind auf dem Arm hielt. Neben ihr stand ihr Gemahl,der edle andergast'sche Ritter Bert von Greuelfingen, der trotz der Hitze in Vollrüstung dastand, umringt von sicherlich der Hälfte der ungefähr 70 Einwohner und Einwohnerinnen der'Hauptstadt' der Tá'akîbet, während weitere neugierig hinzuströmten. Die Leute wirkten alle sehr freundlich, ungezwungen und offen.

 

Alsdann schritt die Akîbet zur Begrüßung: 'Ja, das ist aber ganz arg nettt, daß Ihr kommen tut, Hochwürden Mahlzahn, weil da tu ich mich jetzt ganz arg geehrt fühlen, und deshalb. Und weildie anderen hier, die tun das auch. Und dann tut doch erst mal reinkommen tun in die liebe Frau Königin, weil Ihr seid ja jetzt der Besuch, und weil der Bert [deutete auf ihren Gemahl, der sich artig verbeugt], der tut dann kochen tun, und das ist dann auch bald fertig, weil der hat schon angefangen, weil die Frau Algenpriem, die hat ja erzählt, daß Ihr kommen tut, und deshalb. Und da müßt Ihr drauftreten tun, weil das ist die wichtige Bastmatte, die wo der Herr Suppenhahn damals drauftreten mußte, weil doch der Herr Caracho das gesagt hat, und der mußte das ja wissen,und deshalb...'

 

Dergestalt plaudernd bat die Akîbet "Hochwürden Waltran" in ihr Restaurant 'Zur lieben Frau Koenigin', wie ein schmuckes Holzschild mit bunten Lettern verkündete, wobei sie eifrig auf die Bastmatte, die vor der Tür lag, hinwies.

'So, jetzt tut euch mal setzen tun, und der Bert der bringt dann gleich das Essen, weil der ist ja der Ritter und der Koch und weil die liebe Frau Königin, also die echte, obwohl die hier ist ja auch echt, und die hat gesagt, weil er doch jetzt auch der Baron ist und deshalb. Und ich bindie Karilja, und Ihr dürft mich auch Hochgeboren nennen, weil ich bin ja die Baronin, und das ist der Eljuscha [deutet auf das Kind auf ihrem Arm, das sie derweil an eine junge Frau weitergibt, die die ganze Zeit in der Nähe der Baronin geblieben war], und die Rinjascha, die tut den jetzt mal in die Wiege legen, weil die Prinzessin, die tut doch auch so heißen tun, und dann wird sie doch auch die liebe Frau Königin, und dann tut es ja schon drei geben, und deshalb...'"

 

"Hochwürden Aalwahn" bekam seinerzeit tatsächlich kräftige bornische Kost mit südländischen Einschlag zu essen, welchselbige interessant schmeckte, jedoch auf alle Fälle von köstlicher Natur, wiewohl der damalige Akîb Bert von Greuelfingen wirklich ein hervorrageneder Koch war. Alsdann bekam der fromme Bischof nach und nach die übrigen Dörfler und Dörflerinnen vorgestellt, die sich nach und nach in der Lieben Frau Königin einfanden.

 

Sjepenhusen selbst ist ein idyllisches Fischerdörfchen, in dessen Mitte das Restaurant steht, das gleichzeitig der ehemaligen Baronin Karilja, ihrem Gemahl und ihren mittlerweile fünf Kindern ein Heim bot, und heute von ihrer Nachfolgerin (als Oberhaupt der Gemeinschaft und Tavernenbetreiberin) Rhina Al'Mahr bewohnt wird. Am Sandstrand ist ein Immanfeld abgesteckt, auf dem Dorfplatz vor dem Restaurant steht eine stolze Statue des Begründers der Kolonie, eines gewissen Ranec Al'Mar, Steuermann einer alanfanischen Galeere, der seine Leute vor rund 250 Jahren in eine Meuterei führte, zum Kapitän ernannt wurde und schließlich nach langer Irrfahrt hier anlandete, die Rudersklaven freiließ und gemeinsam mit denÜberlebenden der 'Rabenflug' ein kleines Fort errichte. Im Sockel der Statue sind die Namen aller damaligen Meuterer und Meuterinnen eingraviert, in der Taverne ist das Logbuch, eine Planke mit dem Schiffsnamen, sowie Hut und Augenklappe des Kapitäns ausgestellt. Ranec Al'Mar ist übrigens der Ur-Ur-Ur-Grossvater der Schreiberin der Baronin Karilja, eben jener jungen Frau, die damals den jüngsten Sohn der Akîbet ins Bett brachte. Ihr Name ist - Rhina Al'Mar, was unter der Ägide Kariljas allerdings aufgrund des sprichwörtlich sjepengurk'schen Namensgedächtnisses der Akîbet nicht wirklich wichtig erschien. Sie war es auch, die "Hochwürden Pfahlhahn" immer wieder diskrete Übersetzungen des Redeschwalles der Akîbet lieferte, und von Zeit zu Zeit das Gespräch wieder halbwegs auf einen roten Faden lenkte.

 

Tempel gibt es keine, auch keine Priester, dafür aber einen gut gepflegten Boronsschrein - der Rabe trägt auch schon viele Jahre keine goldene Krone mehr -, der "Hochwürden Kahlrahm" natürlich stolz gezeigt wurde: "Aber jetzt tut doch erst mal essen tun, und dann tu ich euch noch alles zeigen tun, und dann wollt Ihr doch sicher auch mal den Schrein von dem Herrn Boron segnen tun, und weil das wollte die liebe Frau Königin auch, weil sie war ja da, bei der Eröffnung von der lieben Frau Königin, und das war alles ganz toll feierlich, und deshalb."

Weiterhin gibt es einen Efferdschrein, einen Traviaschrein und einen Peraineschrein. Die beiden letzteren wurden von Baronin Karilja selbst errichtet. Der Predigt von Mehib Kâl'Tan lauschten die Schäfchen des Herrn mit großem Eifer - denn wann hat man hier schließlich die Gelegenheit, einem echten Priester zu begegnen! Die Dörfler und Dörflerinnen sind vor allem boron- und efferdgläubig, einige Abkömmlinge der früheren Rudersklaven haben freilich zu ihren Wurzeln gefunden, und betreiben stolz ihre Kamaluq-Verehrung. Überhaupt herrscht ein Klima von Toleranz und gegenseitiger Hilfsbereitschaft. Die Baronin Karilja (betrübt war sie höchstens, weil Elche hier nicht so recht heimisch werden wollen, aber ansonsten hatte sie sich auf ihre ganz eigene Weise vorzüglich in das Kemi-Reich integriert) und ihre Nachfolgerin Rhina waren und sind höchst beliebt, obwohl sie durchaus auch recht resolut durchgreifen können. Während Karilja ihre Herrschaftspflichten sehr ernst nahm - schließlich sind die Sjepengurken'schen alter bornischer Adel, und sie plaudert auch allzugern über ihre Verwandtschaft im hohen Norden - regiert Rhina eher kooperativ, wie es der guten alten Freibeutertradition ihrer Vorfahren entspricht. Nicht von ungefähr sprechen ihre Untertanen sie heutzutage nicht "Sahet" sondern "Capitanya" an.

 

"Ich wage anzunehmen, daß Mehib, Kâl'Tan - da er nicht alles so firunsernst nimmt - eine recht angenehme Zeit hatte in der kleinen Baronie und ist wohl mit dem beruhigten Gefühl abgereist, daß zumindest in Sjepenhusen die Welt noch in Ordnung ist. Seine Räblein weiß er hier gut behütet."
(aus dem Tagebuch der Rhina Al'Mahr)


Sjepengurken-Süd hat eine weitere Siedlung mit auch etwa 70-80 Einwohner und Einwohnerinnen nördlich der Insel Seker'anch, nämlich Sjepengarten. Dort residierte Sah Anshag Bartelbaum - doch davon später. Es gibt dort neben dem obligatorischen Boronschrein - da ein Teil der damaligen Meuterer und Meuterinnen in den Norden zog, um dort ihr Glück zu machen -, ebenfalls einen Swafnirschrein und eine entsprechend hohe Thorwaler-Population, die mit dem früheren Akîb von Neu-Hjaldinggard Orik Torklisson ankam und zum größten Teil blieb...
Sjepengarten ist ein kleiner, beschaulicher Ort, mit etwa 70 Bewohnerinnen und Bewohnern, die hauptsächlich vom Fischfang leben. Der ehemalige Sah Anshag Bartelbaum hatte zudem dafür gesorgt, daß ein Rauschkrautfeld angepflanzt, sowie auch etwas Reis angebaut wurde. Letzterer wurde vor einigen Jahren in größerem Umfang durch eine neue, ertragreichere Sorte ergänzt werden.
Die Ankunft erfolgt auch hier per Schiff, das vor dem Sandstrand vor der Siedlung in einiger Entfernung Anker werfen muß. Mit einem blitzblank gesäuberten Fischerboot wird man sicher an Land gebracht, da Sjepengarten natürlich ob seiner Größe keinen Hafen in dem Sinne hat.
"Der werte Sah Anshag Bartelbaum hatte dafür gesorgt, daß die Einwohner und Einwohnerinnen des Ortes alle anwesend waren. Ein kleines Fest war vorbereitet worden, Speis und Trank bereit gestellt, und auch die kleine Dorfschänke erstrahlte im neuen Glanze. Die Leut, zum Teil thorwalscher Abstammung, erwarten und schon, und auch eine Gruppe Kinder stand bereit, dem Mehib und seinem Gefolge Blumenkränze umzuhängen, sowie ein kleines Gedicht aufzusagen.
Nachdem wir begrüßt worden waren, geleitete uns der Sah zunächst zum Gasthaus, in dem eine Erfrischung gereicht wurde. Eine Schande nur, daß auch hier das scheußliche Bartelbaum-Bier angeboten wurde, nicht minder der ekelhafte Dschungeltrunk, der sogar gekühlt aus dem Fäßchen ausgeschenkt wurde, was seinem widerlichen Geschmack aber nicht zugute kam. Durch den Sah wurde uns ein wenig berichtet, was sich hier in Sjepengarten so tat, danach zeigte uns der Edle das Dörflein, ebenso sein kleines Gut, welches am Ortsrand gelegen war. Der Boronsschrein war danach das Ziel der Leute, und der Sah bat den Mehib darum, eine Messe zu Ehren des Herrn Boron zu lesen. Der fromme Bischof erfüllte den Wunsch Seiner Wohlgeboren und erreichte mit seiner Predigt die Ohren und Herzen aller Anwesenden.
Nicht weit von diesem Ort, aber immer noch innerhalb des Dorfes, stand der kleine, geschmückte Swafnirschrein, der auch noch zu erwähnen ist. Die Fischer und Fischerinnen verehren ob ihrer thorwalschen Abstammung auch den Wal recht eifrig.


>Das Fest ging anschließend weiter, es wurde gegessen, getrunken - einzig die Delegation der Heiligen Mutter Kirche wußte brongefällige Askese zu wahren -, musiziert und geredet. Zu guter Letzt hatte der werte Anshag Bartelbaum natürlich ein Quartier in einem bescheidenen aber sauberen Haus auf seinem Gute vorbereitet, da wir Nacht blieben. Dort sprach der fromme Mehib mit Seiner Wohlegboren noch lange über die Politik und andere wichtige Dinge - nichts jedoch, was für die Aufzeichnungen einer Novizin angemessen wäre." (Schwester Imira Boronsgut, Novizin im Troß des Mehibs Ni Neu-Prêm)

 

Die Tásah Nova Aurandis

Die Entdeckung von Nova Aurandis


"Land in Sicht!"
Jiacomo Aurandis, Kapitän der Dreimast-Thalukke »Seeechse«, stützte sich auf die Reeling und blickte angestrengt in die Richtung, die der Ausguck gemeldet hatte. Ein dunkler Fleck zeichnete sich am Horizont ab, dort, wo Meer und Himmel sich die Hand gaben. Als sie näher kamen, wurden mehr Details sichtbar. Ein breiter Sandstrand wartete auf sie. Dahinter wurde die Insel von einem Dschungel bedeckt, der sich halb die Hänge eines felsigen Berges empor zog. Aus der Ferne sah es so aus, als stünden die Ruinen einer Burg auf dem Gipfel.Ein paar hundert Schritte vom Sandstrand entfernt ließ er Anker werfen. Das Beiboot wurde ausgesetzt und ein halbes Dutzend Matrosen ruderten den Kapitän an Land. Majestätisch baute sich Jiacomo am Strand auf und warf einen Blick strandauf, strandab. Außer ihm und seinen wartenden Matrosen war niemand zu sehen. Hinter sich, auf dem Meer wartete die Seeechse, zwanzig Schritt vor ihm erhob sich die grüne Wand des Dschungels. Aus dem Urwald war kein Geräusch zu hören. Einzig die Meereswellen rauschten unbeeindruckt über den Sand.Er steckte die Stange in den Sand. Das Banner Kemis entfaltete sich und hing schlaff herunter.
"Hiermit nehme ich diese Insel in Besitz für Ihre Majestät Nisut Peri III. der Kemi. Diese Insel soll unter dem Namen »Nova Aurandis« in die Karten eingetragen werden."
Jiacomo teilte Gruppen von Matrosen ein, die sich nach Nahrungsmitteln und Frischwasser umsehen sollten. Er selbst führte eine kleine Gruppe mitten in den Dschungel. Diese Burgruine auf dem Berggipfel, falls es eine war, mußte er sich ansehen. Kaum war der erste Streich mit der Machete getan, erhob sich lautes Gekreische. Vögel, Affen und anderes Getier schrie wild Alarm. Jiacomo faßte die Machete fester und stieß ein kurzes Gebet an Aves hervor. Dann ging er grimmig weiter.In den Ästen hüpften die Affen herum und Schlangen ließen sich träge herunterhängen. Doch die Seeleute wurden das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Aus den Augenwinkeln heraus vermeinten sie ihre Verfolger vorbeihuschen zu sehen, doch jedesmal, wenn sie ihren Kopf wandten, sahen sie nur noch Urwald.Einmal entdeckten sie in dem weichen Boden Fußabdrücke. Nackte, kleine Füße, vielleicht eine halbe Spanne lang. Doch die Spuren verloren sich nach wenigen Schritten und sie fanden nur wenige.Eine Zeitlang konnten sie einem Bach folgen, der den Berg herunter floß. Vermutlich deckten sich die Matrosen in der Nähe seiner Mündung mit Frischwasser ein. Schließlich wurde die Gegend steiler. Nach einer kleinen Pause, um etwas zu essen und auszuruhen, setzten sie die Wanderung fort. Mit der Zeit wichen die Bäume und Sträucher und machten dem nackten Fels Platz. Die südliche Sonne drang nun ungehindert auf die Köpfe der Seeleute. Schwitzend schleppten sie sich weiter.


Der Gipfel erwies sich als weiter Kraterrand. Der Berg war also ein Vulkan. Ein runder See glänzte grünlich im Krater. Von hier oben hatte man einen hervorragenden Ausblick über die ganze Insel. Sie war fast kreisrund und mit Dschungel bedeckt. Der Vulkan war die einzige Erhebung, die zwischen den Bäumen hervorragte. Ein Loch im grünen Dschungelteppich deutete auf einen kleinen See. Nach Osten hin gab es kaum Dschungel. Stattdessen war der Boden von grauschwarzem Lavagestein bedeckt, das bei einem Ausbruch des Vulkans bis zur Küste hin alles überrollt hatte.
Die "Burgruine" entdeckte Jiacomo auch. Sie war am Westrand des Kraters. Mit seinen Matrosen im Schlepptau wanderte der Kapitän am Kraterrand entlang. Alt und verwittert waren die Steine. So alt, daß Jiacomo daran zweifelte, daß sie von irgendwelchen Wesen aufeinandergesetzt worden waren. Vielleicht war es nur eine Laune von Mutter Sumu. Eine Weile stand er da, eine Hand auf den von der Sonne gewärmten Stein gelegt, und ließ seine Gedanken schweifen. Seine Matrosen hatten sich umgesehen, aber nichts gefunden.