Tsakin der Büßer

Keminisutlicher Hofmedicus

Bis vor zwei Jahren hatte der sanfte, edle Tsakin Ni Ahami, Geweihter der Göttin Tsa, die Ta´akib Ahami geführt. Dann aber ging eine schreckliche Veränderung mit ihm vor. Geheim und wie ein Dieb in der Nacht zog er Söldnertruppen zusammen und stürzte das Umland in Schrecken. Die Hintergründe dieser schrecklichen Tat kennt keiner, jedoch wird von Tsakins Besessenheit durch einen Daimoniden gemunkelt.
Nachdem er seine Strafe in der Feste der Laguaner abgesessen hatte, zeichnete er sich bei einer Delegation zu den Waldmenschen aus, bei der es vor allem seinem rhetorischen Geschick zu verdanken war, daß es nicht zu einem Krieg kam. Zum Dank wurde er in Ehren wieder in die Gesellschaft der Kemi aufgenommen und zum Hofmedicus ernannt.


Aus dem Reisebericht des Händlers Omna kala: Der Mann, den ich an jenem Tag in der bezeichneten Schenke traf, hätte ich wohl niemals für ein Mitglied des Hofstaates gehalten. Indes, in kemischen Landen gewöhnt man sich schnell an Ungewöhnliches. Dennoch - einen Medicus in eine schwarze Robe gekleidet zu sehen, verwunderte mich dann doch nicht gering. Zudem saß ihm ein blaugesichtiger, kleiner Affe auf der Schulter, der keck an einem Reisküchlein knabberte. Wie ich später erfuhr, ist sein Name Mataja, was in der Sprache der Waldmenschen soviel wie der, der stets mit kindischem Gemüte lacht" heißt. Sein Keckern erinnerte in der Tat an Gelächter. Dies war jedoch nicht der einzige viehische Begleiter von Meister Tsakin. In den Weiten seiner borongefälligen Robe verbarg sich eine dunkle Ratte, die auf den Namen Memehila hörte.


Als ich die Frage an ihn richtete, ob er der Hofmedicus sei, welcher die Heilkräuter bestellt hätte, schlug er seine schwarze Kapuze zurück und erhob sich. Er befand sich wohl in der Mitte der dritten Dekade seines Lebens. Sein blondes Haar war bis an den Schädel geschoren, doch wirklich bemerkenswert war sein Gesicht. Es war mit bunten Streifen in den Farben des Regenbogens bedeckt, sogar die Augenlider, und mit Schrecken wurde mir klar, das es sich um Hautstechereien handeln mußte. Die Schmerzen bei der Anbringung dieses Kunstwerkes mußten schrecklich gewesen sein. Der Meister war nur etwa eine Hand über anderthalb Schritt groß und dürr, fast wie ein Skelett. Ein Blick auf den Tisch verriet mir warum, denn dort fanden sich nur ein Krug mit Wasser und einige wenige Reisküchlein. Waffen konnte ich keine an ihm finden. So wundersam auch seine Erscheinung war, seltsamer noch erschien mir seine Antwort, hatte ich doch ein einfaches ja oder nein erwartet. Er sprach mit ruhiger Stimme, unverändert mit ernst-traurigem Blicke: ´Als ich hier eintraf, in Kemi, nannte man mich einen Narren, da ich die Waffen verbieten wollte, statt sie überflüssig zu machen. Und wahrlich, das war ich. Später nannte man mich einen friedliebenden Akib, einen klugen Mann, Weisen gar. Hoffentlich war ich das. Dann rief man mich Dämonenbrut, Mörder, Diener des Namenlosen und sperrte mich in die Feste der Laguaner. Und mögen die Götter mir vergeben, leider war ich auch das. Darauf nannte man mich den Büßer, und dies war ich und bin es noch heut. Zwischenzeitlich nannte man mich Retter und Held, nur weil ich, als Geringster der Delegation, mit den Waldmenschen über den Frieden verhandelte. Nun endlich nennt man mich Medicus, Hofmedicus gar, ich bin auch dies. Mögen die Götter mir helfen, die Nisut bei bester Gesundheit zu erhalten, damit sie auch weiterhin weise über das Land der Kemi gebieten kann´. Im weiteren Gespräch milderte sich mein Erstaunen und ich kam zu dem Schluß, daß ich es nicht mit einem dem Irrsinn anheimgefallenen, sondern nur mit einem leidgeprüften Manne zu tun hatte."

 

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Tsakin starb im Jahre 29 S.G., ausgezehrt und krank, an Dschungelfieber.